09.09.2016 19:59:39

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Börsen-Zeitung: Am monetären Tropf, Marktkommentar von Christopher

Kalbhenn

Frankfurt (ots) - An Gewinnmitnahmen ist noch keiner gestorben, so

eine alte Börsianer-Weisheit. Am Donnerstag bis auf 10.787 Punkte und

damit bis in die Nähe des Jahreshochs von 10.802 Punkten gestiegen,

fiel der Dax deutlich zurück, als die Marktteilnehmer am frühen

Nachmittag auf den Verkaufsknopf drückten.

Das ist nicht weiter tragisch. Korrekturen gehören einfach dazu,

und schließlich haben Anleger mit dem Dax seit der Jahresmitte einen

Ertrag von rund 9 Prozent eingefahren. Von größerer Bedeutung ist

allerdings der Anlass. Es war keine enttäuschende

Konjunkturindikation, die die Korrektur auslöste. Die Gewinnmitnahmen

wurden vielmehr von der Entscheidung der Europäischen Zentralbank

losgetreten, entgegen den Konsenserwartungen ihre Geldpolitik nicht

weiter zu lockern, etwa durch eine Verlängerung ihrer Anleihekäufe.

Damit wurde erneut deutlich vor Augen geführt, dass der

Aktienmarkt weiterhin am Tropf der Geldpolitik hängt bzw. von dieser

getrieben wird. Die fundamentale Basis, also Konjunktur und

Unternehmensgewinne, spielt dagegen nach wie vor eine untergeordnete

Rolle. Aus Sicht der Anleger ist das derzeit auch gut so. Denn trotz

aller Anstrengungen der Währungshüter kommt die Gewinnentwicklung

einfach nicht in Schwung.

Zwar ist nicht zu leugnen, dass die Geldpolitik den Unternehmen

auf der Finanzierungsseite hilft. Schließlich können sie sich am

Kapitalmarkt zu Konditionen bedienen, die historisch einmalig günstig

sind. In der abgelaufenen Woche gelang es Henkel und Sanofi als

ersten Unternehmen sogar, Anleihen mit einer Negativrendite zu

platzieren. An der nach wie vor mäßigen Unternehmensgewinnentwicklung

ändert dies jedoch nichts.

"Die laufende Rally wurde nicht durch Verbesserungen bei den

Gewinnschätzungen begleitet", so am Freitag die Landesbank

Baden-Württemberg. Im Gegenteil: Die Schätzungen seien weiter nach

unten revidiert worden, wenn auch längst nicht mehr in dem Maße wie

in den Monaten zuvor. Die einstmals sehr günstigen Bewertungen lägen

daher inzwischen nur noch leicht unterhalb ihrer historischen

Mediane. Flankierend seien auch die Makrozahlen alles andere als

zufriedenstellend ausgefallen. Die beiden ISM-Indizes seien

eingebrochen, und auch der US-Arbeitsmarkt habe enttäuscht. Dies

gelte erst recht für die deutsche Industrieproduktion, die im

Vergleich zum Vormonat um 1,5 Prozent gesunken sei. Treiber seien

lediglich die Hoffnung der Anleger auf weiter wohlwollende

Notenbanker sowie gesunkene Brexit-Sorgen gewesen. "Nun könnte die

Luft jedoch allmählich dünner werden", so das Fazit der Bank.

Als Ausweg bleibt derzeit nur eine höhere Bewertung. Es ist aber

höchst fraglich, ob Investoren bereit sein werden, spürbar höhere

Bewertungen zu bewilligen. Zum einen befindet sich die KGV-Bewertung

am US-Aktienmarkt auf einem Zehnjahreshoch. Zum anderen hat neben dem

Aktienmarkt- auch der Konjunkturzyklus in den Vereinigten Staaten ein

sehr reifes Stadium erreicht.

Nach Einschätzung der DZ Bank könnte es dennoch etwas Spielraum

nach oben geben. Ein Blick auf die Fundamentaldaten sei eher

ernüchternd und könne die positiv tendierenden Aktienmärkte kaum

untermauern. So habe die Berichterstattung in Europa und auch in

Deutschland keine neuen Impulse gesetzt. In einem Umfeld extrem

niedriger Renditen könnten den Aktienmärkten jedoch ohnehin

tendenziell höhere Bewertungen zugebilligt werden als in Zeiten, in

denen die Renditen merklich höher stünden. "Der Prozess der

Bewertungsexpansion könnte folglich - insbesondere bezogen auf die

europäischen Aktienmärkte - daher noch nicht zu Ende sein." Die Bank

hält den derzeitigen Aufschwung an den Aktienmärkten jedoch unter

anderem aufgrund der politischen Unsicherheit für fragil.

Auch die BayernLB ist eher skeptisch, was das Potenzial des

Aktienmarkts betrifft. "Vor dem Hintergrund schwächer erwarteter

konjunktureller Impulse, einer nur schleppenden Entwicklung der

Unternehmensgewinne und anhaltend hoher politischer Risiken rechnen

wir damit, dass der Dax und der Euro Stoxx 50 bis weit ins Jahr 2017

hinein in den Handelsbandbreiten der letzten zwölf Monate bleiben."

In den USA sähen einige Einflussfaktoren zwar günstiger aus, die

jüngsten konjunkturellen Schwächesignale, die schon recht

ambitionierte Bewertung, abnehmender Rückenwind vom Ölpreis sowie die

langsam fortschreitende geldpolitische Straffung der Fed würden die

Aufwärtsdynamik aber auch dort wahrscheinlich bremsen und machten

temporäre Kursrückschläge wahrscheinlicher.

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