16.10.2020 20:10:38
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Angst vor zweitem Lockdown / Kommentar zu Marktreaktionen auf
steigende Corona-Infektionen von Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots) - Mit Zuversicht haben die Aktienmärkte der
Quartalsberichtssaison entgegengesehen. Die deutliche Erholung der Konjunktur
und damit verbunden ein starker Anstieg der Unternehmensgewinne vom zweiten auf
das dritte Quartal, so die Hoffnung, würden den Weg frei machen für einen neuen
Aufwärtsschub an den Aktienmärkten. Die Hoffnung könnte sich zerschlagen. Denn
die Corona-Pandemie meldet sich mit Macht als kursbewegender Faktor zurück. Die
Vereinigten Staaten sind immer noch weit davon entfernt, das Infektionsgeschehen
in den Griff zu kriegen, Europa ist von einer zweiten Welle erfasst worden und
droht ebenfalls die Kontrolle zu verlieren.
Die rasant steigenden Infektionszahlen und die dadurch ausgelösten zunehmenden
Mobilitätsbeschränkungen schüren an den Aktienmärkten Befürchtungen, dass ein
neuer großer Lockdown mit verheerenden wirtschaftlichen Konsequenzen bevorstehen
könnte, nicht zuletzt, weil der Winter günstige Bedingungen für die Ausbreitung
des Virus schaffen wird. Manche Regionen in Europa haben bereits Auflagen, die
nicht mehr weit von einem Lockdown entfernt sind, einige Branchen sind
eigentlich schon so weit. Die Luft- und Reisebranche befinde sich faktisch in
einem zweiten Lockdown, erklärte in der abgelaufenen Woche die
Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen. In diesem Umfeld ist es kein
Wunder, dass vor allem Touristik- und Freizeitaktien derzeit unter Druck
geraten, nicht zuletzt eben Flughafentitel. Die Fraport-Aktie findet sich nach
ihren jüngsten Verlusten in den Tiefenregionen wieder, die im Corona-Crash Mitte
März erreicht worden. Das Gleiche gilt für Tui. Auch Airline-, Kreuzfahrt- und
Hotelaktien mussten Federn lassen.
Steigen die Infektionszahlen weiterhin exponentiell an, was weitere
Einschränkungen zur Folge haben würde, könnte es zu einem deutlichen Rückschlag
in der Wirtschaft und an den Aktienmärkten kommen. "Die Zahl der Neuinfektionen
steigt in den meisten europäischen Ländern schon seit einigen Wochen rapide an",
so die DZ Bank. "Obwohl die Regierungen und die zuständigen Behörden rund ein
halbes Jahr Zeit hatten, sich auf dieses Szenario vorzubereiten, wird ein
Rezept, wie die Ausbreitung des Virus ohne einen generellen Lockdown in Grenzen
gehalten werden kann, allerorten noch verzweifelt gesucht. Denn ein neuer
Lockdown würde unweigerlich in eine weitere Rezession führen. Und deren
Konsequenzen könnten gravierender sein als die bisher absehbaren Folgen der
Frühjahrskrise.
Die Helaba verwies am Freitag darauf, dass die aktuellen rekordhohen
Infektionszahlen mit denen der ersten Corona-Welle nur bedingt verglichen werden
können, weil mittlerweile deutlich mehr getestet wird. Entscheidend sei jedoch,
dass zur Eindämmung der Pandemie nun in vielen Ländern wieder vermehrt
Restriktionen verhängt würden. "Auch wenn versucht wird, diese selektiver und
zielgerichteter als im Frühjahr zu dosieren, könnte die in den vergangenen
Monaten gewachsene Zuversicht auf eine sehr dynamische Erholung der Wirtschaft
einen Dämpfer erhalten", so das Institut. Die Anleger seien bis zuletzt relativ
entspannt mit diesem Thema umgegangen. Diese Gelassenheit werde in den kommenden
Wochen jedoch möglicherweise auf die Probe gestellt werden.
Zwar ist die Pandemie nicht das einzige Thema, das die Aktienmärkte in den
kommenden Wochen treiben wird. Aber sie ist nun ein deutlich negativerer Faktor
geworden als noch vor einigen Wochen. Hinzu kommen mit dem Brexit und den
US-Wahlen weitere potenzielle Belastungsfaktoren, die ebenfalls für Rückschläge
sorgen könnten. Aus mittel- bis langfristiger Sicht würden sie aber
wahrscheinlich günstige Einstiegsgelegenheiten bedeuten. Unabhängig vom
jeweiligen Ergebnis wird in absehbarer Zeit geklärt sein, wer in den kommenden
vier Jahren die USA führen wird, wann das nächste US-Fiskalpaket kommt
beziehungsweise wie groß es ausfallen wird und wie die zukünftigen Beziehungen
zwischen der EU und Großbritannien aussehen werden. Nicht zu vergessen, dass auf
Sicht wahrscheinlich auch ein Corona-Impfstoff zur Verfügung stehen wird, auch
wenn es in der Erprobung von Impfstoffen zuletzt Rückschläge gegeben hat.
Überdies sind die Haupttreiber der Aktienmärkte intakt. Die Finanzmärkte
schwimmen in Liquidität, die angelegt werden muss. Gleichzeitig werden die
extrem niedrigen Zinsen noch lange erhalten bleiben und damit auch der Mangel an
Alternativen zu Dividendentiteln.
(Börsen-Zeitung, 17.10.2020)
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