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10.06.2022 21:30:00
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Oesterreichische Nationalbank stockt Inflationserwartung auf 7 Prozent auf
Mit einer Stagflation, also hoher Inflation bei stagnierender Wirtschaft, sei nicht zu rechnen, sagte OeNB-Gouverneur Robert Holzmann. Die Inflation wird aber die Haushalte hart treffen. Denn die Reallöhne, also das um die Inflation bereinigte Arbeitseinkommen, dürfte heuer um 2,5 Prozent und damit "historisch stark" zurückgehen. Seit den 1950er Jahren habe es einzig 1997, damals aber wegen Abgabenerhöhungen, einen so hohen Reallohnrückgang gegeben, sagte OeNB-Chefprognostiker Gerhard Fenz. Dennoch dürfte wegen der steigenden Beschäftigung das kumulierte Einkommen der Haushalte in Österreich stagnieren - und die Konsumausgaben der privaten Haushalte dürften sogar deutlich zulegen und damit die Konjunktur stützen. Das wird allerdings nur durch den Rückgang der Sparquote und die Ausgabe von krisenbedingt zurückgelegtem Geld möglich.
Zwar haben Energiepreise fast die Hälfte der Inflation verursacht, aber auch Nahrungsmittel und Industriegüter haben mit je 1,2 Prozentpunkten zur Teuerung beigetragen. Die österreichische Kerninflation ist deutlich gestiegen und wird ab 2023 der entscheidende Treiber für die Inflation. Die Nationalbank geht aber davon aus, dass die Inflationsrate in Österreich 2023 wieder auf 4,2 Prozent und 2024 auf 3,0 Prozent zurückgeht - in der gesamten Eurozone sollte es bis dahin sogar eine Normalisierung bei 2,1 Prozent geben.
Die Inflation führt auch zu einer Entschuldung des Staates. Schon heuer sollte der Schuldenstand knapp unter 80 Prozent des BIP fallen, 2023 dann auf 75,9 Prozent und 2024 auf 73,1 Prozent. Der Effekt der Inflation sei dabei "sehr groß", so OeNB-Chefökonomin Birgit Niessner. Das Budgetdefizit erwartet die OeNB heuer bei 2,6 Prozent des BIP und in den Folgejahren bei 1,2 beziehungsweise 0,7 Prozent.
Die Ankündigung der EZB, die Zinsen im Juli um vorerst nur 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen und dann im September in Abhängigkeit der nächsten Prognosen weitere Schritte zu setzen verteidigte Holzmann. Zugleich machte er deutlich, dass er jetzt schon für einen stärkeren Schritt - eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte - gewesen wäre. Auch im September wäre er für ein kräftiges Zinserhöhungszeichen von mindestens 0,5 Prozentpunkten, wenn sich die Inflation bis dahin nicht deutlich reduziert hat. Aber Zinsmaßnahmen seien "eine Reise" und man müsse die Reaktion der Finanzmärkte beachten. Auf die gestrige Ankündigung der EZB hätten die Märkte sehr gut reagiert. Die Schätzungen laufen darauf hin, dass es einen "Gleichgewichtszinssatz" der EZB bei etwa 1,5 Prozent gibt. Sollte die Inflation hartnäckig sein, müssten die Zinsen darüber hinaus steigen.
Wichtig sei aber, dass die Erhöhung der Zinsen nur eine von drei Maßnahmenbündeln sei, die die EZB nutzen könne. Viel wichtiger seien in den letzten Jahren die Anleihenkaufprogramme gewesen, die nun endgültig auslaufen.
OeNB: Inflation trifft Löhne und hilft dem Staat bei Entschuldung
Die Nationalbank hat ihre Inflationsprognose auf das gleiche Niveau angehoben wie zuvor schon Wifo und IHS. Um sieben Prozent dürften die Verbraucherpreise in Österreich heuer steigen, nächstes Jahr dann um 4,2 Prozent. Das ist schlecht für die arbeitenden Menschen, denen heuer ein historischer Einbruch ihrer realen Einkommen droht und gut für den Staat, der sich dadurch zügig entschulden kann.Alleine die Inflation wird dazu führen, dass die Schuldenquote, also das Verhältnis der Schulden zur Wirtschaftsleistung, zwischen 2022 und 2024 um fast 10 Prozentpunkte sinkt, hat die OeNB errechnet. Hätte es die von der EZB angestrebte Inflation von zwei Prozent gegeben, wäre der Effekt halb so groß gewesen. Schon heuer sollte der Schuldenstand von etwa 84 Prozent auf knapp unter 80 Prozent des BIP fallen, 2023 dann auf 75,9 Prozent und 2024 auf 73,1 Prozent.
Die Inflation war zwar zunächst stark "importiert", vor allem über die explodierenden Energiepreise. Der Einfluss der Energiepreise wird aber ab dem Sommer zurückgehen, insgesamt soll die Teuerungsrate ab dem Sommer zurückgehen, erwartet die OeNB. Nicht zuletzt durch das Nachziehen der Kollektivvertragslöhne wird die innerösterreichische Kerninflation steigen, auf heuer 4,1 und 2023 4,4 Prozent und sie geht auch 2024 nur auf 3,3 Prozent zurück. In den 20 Jahren vor der Covid-Krise war die Kerninflation bei etwa 1,7 Prozent gelegen.
Von einer Lohn-Preis-Spirale könne man aber nicht sprechen, sagten OeNB-Gouverneur Robert Holzmann und OeNB-Chefökonomin Birgit Niessner. Denn die Tradition der KV-Verhandlungen sehe vor, dass lediglich die vergangene Inflation und allfällige Produktivitätsgewinne die Basis für Lohnerhöhungen sind. Erst wenn vergangene Inflation überkompensiert oder künftige Inflationserwartungen als Basis genommen würden, würde so eine Spirale in Gang gesetzt.
Die Löhne dürften heuer zwar nominell mit vier Prozent deutlich steigen, real dürften aber um 2,5 Prozent weniger übrigbleiben. Die Entlastung bei Steuern sei zu gering, um den Reallohnverlust stark zu dämpfen, sagte OeNB-Chefprognostiker Gerhard Fenz. Das wäre seit den 1950er Jahren der höchste inflationsbedingte Reallohnrückgang. Da aber die Arbeitslosigkeit zurückgeht und die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden um etwa vier Prozent zulegen dürfte, stagnieren die gesamten Haushaltseinkommen auf dem Vorjahresniveau. Und die Haushalte dürften ihre Ausgaben sogar um 3,9 Prozent steigern, weil sie ihre Sparquote von dem krisenbedingt ungewöhnlich hohen Niveau von 11,8 Prozent auf langfristig in Österreich übliche 8,4 Prozent senken und wohl auch einen Teil der rund 20 Mrd. Euro, die durch "Übersparen" während der Krise auf der hohen Kante liegen, nun wieder ausgeben.
Inflation trifft die Menschen dabei sehr unterschiedlich. Die Nationalbank hat für das Jahr 2021 nachgerechnet, wie jeder einzelne Haushalt davon betroffen war. Das Ergebnis zeigt, dass es sogar Haushalte gegeben hat, deren Lebenshaltungskosten gesunken sind, während - bei damals durchschnittlich nur 2,8 Prozent Teuerung - manche bis zu fünf Prozent mehr für ihre Ausgaben zahlen mussten. Klar ist auch, dass die ärmsten zehn Prozent einen weit überdurchschnittlichen Anteil ihres Geldes für Wohnen, Wasser und Energie ausgeben, während beim wohlhabendsten Zehntel der Bevölkerung Freizeit, Kultur und Verkehr überdurchschnittlich viele Ausgaben verursachen.
Die teils zweistelligen Anstiege bei den Großhandelspreisen würden zwar Druck auf die Verbraucherpreise ausüben, aber nicht alle Großhandelspreise seien so stark im Plus, sagte Niessner. Sechs bis zwölf Monate dauere es, bis die Großhandelspreise beim Konsumenten ankommen.
Stabilisierend wirke aus Sicht der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Unterschiede in der Inflation - und beim Wirtschaftswachstum - zwischen den einzelnen Euro-Ländern nicht zu groß sind, sagte Holzmann.
Wachstum trotz Kriegs stabil
Der Krieg in der Ukraine hat zwar den weiteren Aufschwung der heimischen Wirtschaft verhindert, aber nicht zu einem Rückgang geführt. Seit Kriegsbeginn hält sich die Wirtschaftsleistung etwa auf den Vorkrisenniveau, zeigt der wöchentliche Konjunkturindikator der Nationalbank. Erst in den letzten Wochen habe es einen "zarten Aufwärtstrend" gegeben, so OeNB-Chefprognostiker Gerhard Fenz.Die OeNB hat ihre Wachstumsprognose für 2022 im Vergleich zur Dezemberprognose nur leicht nach unten revidiert, auf 3,8 Prozent. Das ist vor allem einem starken Wachstum Ende 2021 zu verdanken, das in der letzten Prognose noch nicht eingerechnet war. Sollte der Krieg heuer zu Ende gehen und Gaslieferungen stabil bleiben, dürfte die Wirtschaft in den Folgejahren um jeweils 1,9 Prozent zulegen.
Allerdings hat die OeNB auch ein schlechtes Szenario mit einem längeren Krieg und einen Stopp von Energielieferungen aus Russland gerechnet. Das würde heuer und 2023 die Wirtschaft schrumpfen lassen - heuer um 0,6 Prozent, nächstes Jahr um 1,4 Prozent, und die Inflation heuer auf 8,5 Prozent und nächstes Jahr auf 5,1 Prozent steigern. Man könne nur hoffen, dass dieses Szenario nicht eintritt, so Fenz zur Wahrscheinlichkeit. 2024 würde aber auch in diesem Szenario wieder 6,4 Prozent Wachstum und nur mehr 2,9 Prozent Inflation mit sich bringen.
Solange aber dieses Krisenszenario nicht schlagend wird, ist die OeNB zuversichtlich für das Wirtschaftswachstum. Denn die meisten Zahlen weisen auf eine Normalisierung der Lage hin, wie OeNB-Chefökonomin Birgit Niessner sagte. Die Beschäftigung wachse weiter, wenn auch weniger stark, die Arbeitslosenrate pendelt sich um sechs Prozent ein. Die Leistungsbilanz, die einmalig negativ war, wird wieder positiv. Auch die fiskalischen Indikatoren gehen in die gute Richtung.
(APA)
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