19.04.2013 19:14:58

Oberhessische Presse: Kommentar zum Akkreditierungsverfahren im NSU-Prozess

Marburg (ots) - Dass Journalisten bisweilen mit begrenzten Platzkontingenten konfrontiert werden, gehört zum Berufsalltag. Insbesondere bei Strafprozessen, die von großem öffentlichen Interesse sind, äußern nicht selten mehr Medienvertreter Akkreditierungswünsche, als es Sitzplätze im Gerichtssaal gibt. Die Vergabe ging in der Vergangenheit meist geräuschlos vonstatten. Doch seitdem im Vorfeld des NSU-Prozesses die türkische Zeitung "Saba" bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen war, um aus dem Münchner Gerichtssaal berichten zu können, überlagert die Frage der Medienpräsenz bei dem Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten den eigentlichen Gegenstand der Hauptverhandlung. Kaum jemand wird angesichts der Vorgeschichte bestreiten wollen, dass in diesem Verfahren eine saubere Lösung für die Berichterstattung gefunden werden muss, und niemand wird in Zweifel ziehen, dass hierbei Medien zum Zug kommen müssen, die im ethno-kulturellen Umfeld der Opfer des NSU-Terrors angesiedelt sind. Die Öffentlichkeit hatte sich seit der "Saba"-Klage gefragt, warum die Münchner Gerichtsbarkeit nicht in der Lage oder willens war, räumliche Voraussetzungen für das Verfahren zu schaffen, die eine uneingeschränkte Medienpräsenz ermöglichen. Das scheint das Oberlandesgericht München weiterhin nicht in Betracht zu ziehen, ansonsten hätte es sich nicht zu jener Verfügung durchgerungen, die die Teilnahme von Journalisten am Prozessgeschehen jetzt zur Lotterie macht. Glückspiel kann süchtig machen, heißt es in der Werbung - in diesem Fall macht Glücksspiel wütend, und es ist absehbar, dass Medienvertreter, die bereits eine Akkreditierung in der Tasche hatten und jetzt leer ausgehen, die bayerische Stuhl-Tombola anfechten werden. So viel ist sicher: Das Informationsbedürfnis der meisten Menschen wird angesichts von 50 zur Verfügung stehenden Reporterplätzen hinreichend gestillt. Doch darum geht es nicht. Vielmehr geht es darum, dass der Ausschluss bestimmter Teile der Medienöffentlichkeit rechtsstaatlich zumindest fragwürdig ist. Und das Letzte, was sich die Bundesrepublik im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess leisten kann, ist der Verdacht, die Gerichtsbarkeit könne bei der Strafverfolgung von Rechts-Terror nicht die gleiche Entschlossenheit und Konsequenz an den Tag legen wie vor knapp vier Jahrzehnten im Umgang mit dem Bader-Meinhof-Terror. Fußnote: 1975 wurde auf dem Gelände der Stuttgarter Justizvollzugsanstalt für 12 Millionen D-Mark eine Mehrzweckhalle errichtet, um dort den Mitgliedern der Rote Armee Fraktion den Prozess zu machen. Aus Sicherheitsgründen. Aber eben auch mit jeder Menge Sitzplätzen. von Carsten Beckmann

Originaltext: Oberhessische Presse Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/108117 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_108117.rss2

Pressekontakt: Oberhessische Presse Anja Luckas Telefon: (0)6421 / 409-310 nachrichten@op-marburg.de

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