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19.06.2015 22:37:45

Neue Westfälische (Bielefeld): Vereinte Nationen rufen Welttag der Flüchtlinge aus Narben in der Menschheit MATTHIAS BUNGEROTH

Bielefeld (ots) - Rund 60 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Sie machen sich unter zumeist lebensbedrohlichen Umständen auf den Weg, um in ihrer Heimat Krieg, Hunger und Verfolgung zu entgehen und die winzig gewordene Hoffnung auf ein menschenwürdiges Dasein nicht ganz aufgeben zu müssen. Diese ernüchternde Bestandsaufnahme hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) dazu bewogen, den Tag heute zum Welttag der Flüchtlinge auszurufen. Das Problem der Flüchtlingsbewegungen ist so gravierend wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht. Und es ist aus der Perspektive des wohlhabenden Kontinents Europa anhand dieser nüchternen Zahl ebenso wenig greifbar wie die Zahl der Opfer des Zweiten Weltkriegs, die mindestens ebenso hoch geschätzt wird. 60 Millionen Menschen, das sind fast ebenso viele, wie Großbritannien und Italien als Staaten jeweils an Einwohnern zählen. Allein in Nordrhein-Westfalen sollen in diesem Jahr 100.000 Flüchtlinge ankommen. Menschen, die in höchster Existenzangst schweben und ein Recht darauf haben, hier willkommen geheißen zu werden und eine Perspektive zu bekommen. So fehlt es seitens der Politik nicht an wohlmeinenden Appellen und Absichtsbekundungen anlässlich dieses Gedenktages. Doch fundamental weitergebracht haben sie unsere Gesellschaft beim Umgang mit dem Flüchtlingsthema nicht - noch nicht, so ist zu hoffen. Innenpolitisch wird das Flüchtlingsthema zunächst einmal sehr nüchtern und verwaltungsmäßig angegangen. Es geht um Unterbringungsquoten in den einzelnen Bundesländern und die Finanzierung der Übergangsheime, die die Kommunen einzurichten haben. Als akute Reaktion ist das zunächst verständlich. Doch Hilfsorganisationen machen auf tiefgreifende Missstände aufmerksam, darunter das Kinderhilfswerk Terre des Hommes. So seien im Vorjahr allein 10.000 unbegleitete Flüchtlinge unter 18 Jahren in Deutschland angekommen; viele von ihnen schwer psychisch traumatisiert. Allein 41.000 Minderjährige warten auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag, 25.000 davon haben nur den Duldungsstatus. Welch eine Verantwortung für unser Land, das zu den reichsten dieser Welt zählt. Es kann nicht sein, dass Deutschland, Europa und die westliche Welt an dieser Stelle versagen. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen warnt schon davor, man riskiere, eine ganze Generation an Konflikt und Hunger zu verlieren. Ob dies am Ende zutrifft oder nicht: Die Flüchtlingsströme rund um den Erdball hinterlassen Narben in der Menschheit, die auf lange Zeit nicht verheilen werden. Die Politik des Westens hat sich angewöhnt, trotz dieser nicht endenden Problematik lieber nicht die Systemfrage zu stellen. Denn natürlich weisen seriöse Wissenschaftler weltweit darauf hin, dass die wachsenden Diskrepanzen zwischen den "reichen" und den "armen" Ländern und Kontinenten einen großen Einfluss auf die Flüchtlingsbewegungen in der Welt haben. Diesen Beobachtungen hat sich nun auch Papst Franziskus angeschlossen. Seine jüngst verbreitete Umweltenzyklika deuten Beobachter vielmehr als Sozialenzyklika. Es sei unerlässlich, einen Gang zurückzuschalten, schreibt Franziskus den wohlhabenden Industriestaaten ins Stammbuch und stellt dabei Zusammenhänge zwischen selektivem Konsumverhalten einiger und dem weltweiten Klimawandel her. Wenn Franziskus damit eine Kultur der neuen Nachdenklichkeit angestoßen habe sollte, wäre schon viel erreicht.

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