19.07.2017 23:03:59
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Neue Westfälische (Bielefeld): NSU-Prozess Aus der Schuld lernen Dieter Wonka, Berlin
Bielefeld (ots) - Im Lauf der mühsamen Aufarbeitung des
DDR-Unrechts hat Bärbel Bohley enttäuscht festgestellt: "Wir haben
Gerechtigkeit erwartet und den Rechtsstaat bekommen." Vergeltung ist
keine Sache des Rechts. Die Beurteilung der persönlich nachweisbaren
Schuld in einem ordentlichen Verfahren ist für Opfer und Angehörige
oft schmerzhaft. Viele Fragen bleiben offen. Es ist nicht leicht, den
Rechtsstaat in jeder Phase zu ertragen. Der NSU-Prozess beweist das
auch nach Abschluss der Beweisaufnahme. Sieben Verhandlungstage soll
plädiert werden über das, was 815 Zeugen, 42 Sachverständige und 33
Befangenheitsanträge an Einblick brachten. Es wird schwer fallen, das
Urteil gerecht zu finden. Das erlebte Staatsversagen stand nicht zur
Verhandlung an. Über eine rassistische Mordserie wird auf reiner
Indizienbasis nach Recht und Gesetz zu urteilen sein. Beate Zschäpe
als überlebende Mittäterin bildet bis zum Schluss das dunkle
Kraftfeld. Für die Rolle einer willfährigen Marionette taugt sie
nicht. Egal, wie akribisch Richter Manfred Götzl den Prozess auch
führte, die Rechte der Angeklagten wurden in jedem Fall gewahrt. Das
NSU-Ziel war die Vernichtung menschlichen Lebens aus rassistischem
Wahn. Der Rechtsstaat antwortet mit dem Gesetz. Den wenigen
Angeklagten ergeht es in jedem Fall besser als den Angehörigen der
Opfer. Ihnen wurde zu lange die Würde, die Ehre und die Anteilnahme
verweigert. Durch eine beispiellose Leichtfertigkeit der Politik, der
Behörden und vieler Medien wurden sie zu Tätern gestempelt. Viele
behandelte man nicht einmal nach den Taten einfach nur wie normale
Menschen. Die Liste der noch immer offenen Fragen ist schon jetzt
länger als die der Anklagepunkte. Eine Verschwörung großen Stils gab
es wohl nicht, ein braunes, dunkles, zum Teil bis heute verborgen
gebliebenes Machtwerk schon. Die Aktenvernichtung in
Verfassungsschutzämtern bleibt fragwürdig. Unverständlich ist, dass
vier Dutzend eingesetzte V-Leute nichts mitbekommen haben.
Unentschuldbar ist, dass rundherum die reale Bedrohung durch den
Rechtsterrorismus ignoriert wurde. Dieser Prozess, teuer, langwierig,
bürokratisch und mühsam, konnte und sollte der Gesellschaft nichts an
Aufarbeitung abnehmen. Es ging um Rechtsprechung. Gesicht zu zeigen,
genau hinzusehen, dem Denken in Begriffen wie Volksgemeinschaft und
Überfremdung zu widerstehen - das ist und bleibt eine nachhaltige
Aufgabe für alle. Man kann aus früherer Schuld lernen.
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Pressekontakt: Neue Westfälische News Desk Telefon: 0521 555 271 nachrichten@neue-westfaelische.de
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