22.05.2015 21:52:37
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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Vormarsch des IS in Irak und Syrien Obamas Durchhalteparolen Dirk Hautkapp, Washington
Bielefeld (ots) - Einen Feind schwach zu reden heißt nicht, ihn zu
schwächen. Nicht wenn er in Wirklichkeit stark ist. Neun Monate nach
Beginn der amerikanischen Luftschläge gegen den "Islamischen Staat"
in Syrien und im Irak droht Washington dieser Fehler zum Verhängnis
zu werden. Während die Obama-Regierung die Geländegewinne der
dschihadistischen Besatzer im irakischen Ramadi und aktuell im
syrischen Palmyra herunterspielt und die Öffentlichkeit mit
Durchhalteparolen bedient, schreitet im arabischen Osten der Zerfall
staatlicher Ordnung mit atemberaubendem Tempo voran. Mit jeder neuen
Eroberung konsolidiert der IS sein Einflusszone und treibt den
Niedergang der Region voran. Obamas Strategie, den Irak unter dem
von den USA ins Amt orchestrierten Ministerpräsidenten Abadi mit
allem - außer US-Bodentruppen - in die Lage zu versetzen, aus eigener
Kraft die territoriale Integrität zurückzugewinnen, hat den
Tauglichkeitstest nicht bestanden. Im Gegenteil. In ihrem Bemühen,
den IS zu "schwächen und letztlich zu zerstören" (Obama), findet sich
Amerika im Frühling 2015 an der Seite unberechenbarer Kräfte wieder.
Weil die reguläre, von Washington mit Millionensummen alimentierte
irakische Armee im Zweifel lieber vor den besser bezahlten und besser
ausgebildeten Kalifat-Legionären flieht, stoßen aus dem Iran
ferngesteuerte Milizen und Bürgerwehren in das Vakuum. Eine
Konstellation wie gemacht für das zynische Endziel des IS, der einen
offenen Kampf zwischen Sunniten und Schiiten provozieren will. Also
zwischen Saudi-Arabien und Iran. Nirgends ist das Dilemma so
dramatisch wie in der umkämpften Region um die Stadt Ramadi, in der
im Irak-Krieg unter George W. Bush 1.000 GIs starben, deren Mütter
sich heute vor Wut die Augen aus dem Kopf heulen. Die Sunniten dort
haben erst gegen die Amerikaner gekämpft. Dann mit den Amerikanern
gegen El Kaida. Ihnen jetzt Schiiten als Schutzmacht zu schicken, die
mit dem Segen Bagdads den sunnitischen IS neutralisieren sollen,
kommt fast einer Gotteslästerung gleich. In so einem
Milizen-Staat-Klima kann die Aussöhnung der innerislamischen
Glaubensblöcke nicht einmal ansatzweise gelingen. Je größer die
Einflusszone der Terrorstaatsgründer um den Kalifen Baghdadi, desto
lauter werden in Washington die Stimmen der Unbeherrschten und der
Vereinfacher. Nahezu alle republikanischen
Möchtegern-Präsidentschaftskandidaten zeihen Obama des Herumeierns
und dienen sich plump als Feldherren an, die den IS in Grund und
Boden bomben würden, wenn man sie nur ließe. So als hätte es die von
Größenwahn angetriebene Niederlage Amerikas im Irak-Krieg unter
Obamas Vorgänger nie gegeben. Noch mögen das dem hitzigen
Vorwahlkampf geschuldete Extreme sein, die angesichts der
Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung wenig verfangen. Sollte aber in
den nächsten Monaten ein IS-inspirierter Terroranschlag auf
amerikanischem Boden gelingen, kann die Stimmung schnell kippen. Ins
Weiße Haus zöge dann kein zaudernder Obama-Nachahmer ein, der
Amerikas militärischen Fußabdruck klein halten will. Sondern ein Bush
II. Ein Kriegspräsident. Um das zu verhindern, muss Obama seine
Strategie gegen den IS nicht völlig aufgeben, aber anpassen. Die
Expansion der Terroristen muss gestoppt werden. 2.000
Panzerabwehrraketen zusätzlich sind dabei nur weiße Salbe. Den Irak
in seiner jetzigen Verfassung mit dem IS allein zu lassen, wird sich
sonst bitter rächen.
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