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30.12.2013 20:54:58

Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar 2014 - Chancen und Risiken Ein Jahr für Europa THOMAS SEIM

Bielefeld (ots) - Vor uns liegt 2014 - das Jahr der Europawahl. Es ist ein Jahr, das uns die Chance bietet, Europa neu zu entdecken. Das wird nötig sein, denn der europäische Gedanke hat viel von dem Reiz verloren, den er lange Jahre für die breite Mehrheit der Europäer als Garant für Freiheit, Handel und Wohlstand besaß. Auch für uns Deutsche. Denn wir sind wieder wer. Zwar gingen uns vermeintliche Gewissheiten verloren, zum Beispiel die, dass befreundete Nationen wie Großbritannien oder die USA niemals das Telefon unserer Bundeskanzlerin abhören würden. Aber Reformen haben Deutschland ökonomisch wieder an die Weltspitze geführt. Vor uns liegt 2014 - das Jahr der Fußball-WM in Brasilien. Am Tag vor Heiligabend, kurz vor der Tagesschau, gab es zum ersten Mal die TV-Ansprache eines "Fußballministers". Der Brasilianer Edson Arantes do Nascimento - besser bekannt unter dem Namen Pelé - bat darin um Gnade. Als Werbeblock für den größten deutschen Autokonzern bescheinigte er den Deutschen, sie bauten schon die besten Autos, da dürften sie den Brasilianern nicht auch noch den WM-Titel im eigenen Land streitig machen. Witzig gemacht. Man schmunzelt und erwischt sich bei dem Gedanken: So weit kommt's noch. Selbstverständlich wollen wir den Titel. Was hat das mit Autos zu tun? Viel. Die Symbolik des starken Deutschlands ist für uns selbst attraktiv. Unsere Nachbarn, die schwachen vor allem, macht sie misstrauisch. Bundeskanzlerin Angela Merkel neigt - wie viele deutsche Ökonomen und Politiker - dazu, aus der ökonomischen Überlegenheit immer stärker auch politische Vorgaben für unsere Nachbarn zu artikulieren, zuletzt beim vorweihnachtlichen EU-Gipfel in Brüssel. Doch je stärker Deutschland die politische Unterwerfung der Nachbarn aus dem wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik ableitet, desto größer werden die Zentrifugalkräfte der EU. Das war in Brüssel schon am Widerstand gegen Merkel zu spüren. Ohne die EU aber verliert Deutschland. Der größte Teil des deutschen Wachstums entsteht im Handel mit der EU. China ist ein interessanter Markt, ja. Aber das Riesenreich mit weit über einer Milliarde Menschen steigt derzeit zur ökonomischen Weltmacht auf. Hinter China lauern Indien, Russland, Südafrika auf ihre Chance. Und Brasilien. Deutschland mit seinen 80 Millionen Menschen wird in dieser Konkurrenz nur mit der EU bestehen können. Die EU aber wird nur zusammenbleiben, wenn es gelingt, die Interessen kleinerer Staaten in einen Ausgleich mit denen der Schwergewichte zu bringen. Je stärker ein Land - Deutschland - das ökonomische Zentrum der EU wird, desto größer wird die Notwendigkeit, sich politisch höchstens auf Augenhöhe mit den Nachbarn zu bewegen - ganz gleich wie groß sie sind. Vor 100 Jahren haben die Europäer diese Maxime des Friedens nicht beachtet. Das hat in einen verheerenden Krieg geführt und das 20. Jahrhundert zum brutalsten mit bis dahin ungekannten Opferzahlen, Vertreibungen, Vernichtungswaffen gemacht. Zum 100. Jahrestag dieses Kriegsbeginns sind wir von Freunden umgeben. Aber uns ist die Empathie für die Basis dieses Friedens und dieser Freiheit verloren gegangen: Das ist die EU. Vor uns liegt 2014 - das Jahr, in dem wir das gestärkte Europaparlament neu wählen. Diese Wahl ist eine Chance, nationale Egoismen zu beherrschen und die Grundlagen für die Konkurrenzfähigkeit des alten Kontinents gegen neue Welten in Ost und West zu bestätigen. Wenn das die Richtung der deutschen Politik 2014 ist, dann wird es unseren Nachbarn in Europa leichter fallen, Pelés "Gnadengesuch" abzulehnen - und Deutschland zum WM-Titel zu gratulieren.

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