30.08.2018 23:33:43
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Mittelbayerische Zeitung: Sinnlose Uhrendreherei / In einer Umfrage votierten 80 Prozent gegen das halbjährliche Drehen am Zeiger. Brüssel sollte den Mut aufbringen, die Zeitumstellung zu beenden. Von
Regensburg (ots) - In der "guten, alten Zeit" war alles viel
komplizierter. Noch bis 1893 hatte jeder Ort in Deutschland seine
eigene Zeit. Die Ortszeit eben, die zumeist von der Kirchturmuhr
angezeigt wurde. War es in Berlin 12.27 Uhr, zeigten die Uhren in
München erst 12.20 Uhr und in Düsseldorf war es erst zwölf Uhr
Mittag. Während Reichskanzler Otto von Bismarck den Flickenteppich
deutscher Kleinstaaten bereits 1871 im Deutschen Reich vereint hatte,
galt das System der Ortszeiten noch zwei Jahrzehnte fort. Dieser
Zeit-Wirrwarr behinderte den Handel, die einsetzende
Industrialisierung und vor allem den Bahnverkehr enorm. Noch um das
Jahr 1891 existierten im Reich "nur" fünf verschiedene
"Eisenbahnzeiten". Der Wunsch nach maximaler Produktivität und
Effizienz stieß an die nach wie vor bestehende kleinstaaterische
Zeitregelung. Erst am 1. April 1893 trat ein von Kaiser Wilhelm II.
unterzeichnetes Gesetz in Kraft, mit dem die "mittlere Sonnenzeit des
fünfzehnten Längengrades östlich von Greenwich" im gesamten Deutschen
Reich zur einzig gültigen Uhrzeit bestimmt wurde. Und weil der 15.
Meridian durch Görlitz verläuft, gab die ostsächsische Stadt der
mitteleuropäischen Zeitzone auch ihren Namen. Die derzeitige heftige
Debatte um Sommerzeit ja oder nein schrumpft beim Rückblick in die
Geschichte auf ein händelbares Normalmaß ein. Die Festlegung der
jeweils geltenden "amtlichen Zeit" war auch im vorigen Jahrhundert
jedes Mal mit politischen und wirtschaftlichen Absichten verbunden.
Im Ersten Weltkrieg wurde die Zeitumstellung eingeführt, um das
kostenlose Tageslicht besser für die industrialisierte Kriegsführung
nutzen zu können. Im Zweiten Weltkrieg führte Hitler die Sommerzeit
wieder ein, um der Rüstungsproduktion bessere Produktionsbedingungen
zu verschaffen. Die Einführung der Sommerzeit 1980 - diesmal in
Friedenszeiten, aber im Kalten Krieg zwischen Ost und West - folgte
der Absicht, viel Energie und damit Geld einzusparen, weil es abends
ja länger hell sei. Diese Hoffnung freilich hat sich in Luft
aufgelöst. Ein nennenswerter Effekt bei der Stromeinsparung war in
den vergangenen 38 Jahren mit Sommerzeit nicht nachweisbar. Freilich
genießen natürlich viele Menschen die Annehmlichkeiten des
"verlängerten" Tages mit Helligkeit bis in die Abendstunden, im
Biergarten, auf dem Campingplatz oder sonst wo. Auf der anderen
Seiten klagen jedoch sehr viele Menschen über den "Mini-Jetlag",
Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Herzrhythmusstörungen im
Zuge des Wechsels von Sommer- und Winterzeit. So alt wie das
derzeitige System der Zeitumstellung im Frühjahr und Herbst ist auch
der Streit um dessen Sinnhaftigkeit. Die EU-Kommission in Brüssel
rührte jahrelang gar nicht an dieser berechtigten Frage. Gleichwohl
fand das Unbehagen vieler Europäer an der nervigen Umstellung auch im
EU-Parlament immer mehr Anhänger. Vor wenigen Monaten erst forderte
eine Mehrheit des Parlaments die Kommission auf zu prüfen, wie es mit
der Zeitumstellung weitergehen solle. Die Mühlen in Europa mahlen
allerdings extrem langsam. Gewissermaßen zuständig für die Zeit in
der EU ist Verkehrskommissarin Violeta Bulc. Die Slowenin hatte
bereits versucht, die deutsche Pkw-Maut zu Fall zu bringen. Mit dem
starken Ergebnis der Online-Umfrage mit 80 Prozent Ablehnung der
Zeitumstellung sollte sie für die EU-Kommission nun allerdings rasch
einen Vorschlag zur Beendigung des Drehens an der Uhr auf den Weg
bringen. Klar, eine solche Umfrage ist keine Entscheidung, aber sie
ist ein deutlicher Fingerzeig dafür, dass die halbjährliche
Zeitumstellung von einer überwältigenden Mehrheit der Menschen, vor
allem von den als so überaus pünktlich geltenden Deutschen, nicht
gewollt wird. Die sinnlose Uhrendreherei könnte noch vor der
Europawahl im nächsten Jahr beendet werden. Es ist noch genug Zeit
dazu. Und wenn es nach der Mehrheit der Befragten geht, dann sollte
Sommerzeit gelten - das ganze Jahr über.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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