08.12.2013 19:14:58
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Mittelbayerische Zeitung: Liberale Selbstbeschwörung / Die FDP hat einen neuen, charismatischen Chef. Doch das allein wird nicht ausreichen. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots) - Fast wie einen Messias haben die sonst so
nüchternen Liberalen ihren neuen Parteivorsitzenden Christian Lindner
auf dem außerordentlichen Kongress in Berlin gefeiert. Ähnlich
stürmisch hatten sie freilich in den Jahren zuvor Guido Westerwelle
oder Philipp Rösler bejubelt. Der eine machte die Liberalen einst zur
Spaßpartei und verengte sie inhaltlich auf das Steuersenkungsthema.
Der andere, der "nette Herr Rösler", scheiterte an der Aufgabe, die
FDP wieder zu einer selbstbewussten, liberalen Kraft zu machen. Dass
vor allem Rösler, der sich redlich mühte, nun mit Schimpf und Häme
vom Hof gejagt wird, hat er nicht verdient. Er ist an den
Verkrustungen der Partei gescheitert, die sie sich in den letzten
beiden Jahrzehnten zugelegt hatte. Aus der Vasallen-Abhängigkeit von
der Union hat Rösler die FDP nicht befreien können, vielleicht auch
nicht wollen. Auf dem Parteitag überraschte er mit dem Eingeständnis,
dass die alte Führung seinen Kurswechsel boykottiert habe. Vielleicht
ist auch das nur Teil der liberalen Selbstbeschwörung, die viele
Kapitel kennt. Nun also der charismatische Christian Lindner, der
einst von Ex-Parteichef Guido Westerwelle ins Amt gehievt und zuletzt
von Übervater Hans-Dietrich Genscher gepuscht worden war. Lindner ist
zweifellos ein großes politisches und rhetorisches Talent. Doch das
allein wird nicht ausreichen, um die zutiefst verunsicherte Partei
wieder aus dem politischen Abseits heraus zu führen. Sie sitzt nur
noch in neun Landesparlamenten und in lediglich einer
Landesregierung, der in Sachsen. Nach dem Ausscheiden aus dem
Bundestag, zu dessen Inventar seit 1949 Liberale gewissermaßen
gehören, sind sie zudem von einer wichtigen politischen Bühne
verbannt. Auf die beiden "Trümmerfrauen", Lindner und den gleichfalls
wortgewaltigen Wolfgang Kubicki als seinen ersten Stellvertreter,
kommt eine riesige Kärrneraufgabe zu. Sie müssen den Laden
zusammenhalten, programmatisch erneuern und die "Marke FDP" in der
Öffentlichkeit präsent halten. Da können die 1400 Tage bis zur
nächsten Bundestagswahl verdammt lang und einsam werden. Lindner
startete zumindest mit einem langersehnten Befreiungsschlag. Anders
als unter Westerwelle und Rösler soll die FDP nicht länger ein
Anhängsel der Union sein. Das hatte sich zuletzt weder im Bund noch
in Bayern für die Liberalen ausgezahlt, sie wurden von Angela Merkel
und Horst Seehofer schlichtweg "untergebuttert". Aber auch eine
sozialliberale Renaissance wird es mit Lindner nicht geben. Die FDP
muss wieder selbst mit ihren Idealen, dem verschütteten
Freiheitsgedanken, Bürgerrechten, sozialer Marktwirtschaft, um
Zustimmung werben. Das ist gut so. Und ausgemacht ist eine
parlamentarische Wiedergeburt der FDP im Bund in vier Jahren noch
lange nicht. Um das liberale Erbe balgen sich nicht nur die
"national-ökonomischen Bauernfänger" von der Alternative für
Deutschland, sondern auch die Sozialdemokraten und die Union. Die FDP
sollte erkennen, dass sie kein Monopol auf modernes liberales
Gedankengut und liberale Programmatik besitzt. Sie ist jetzt "ganz
unten angekommen", wie der bayerische Landeschef Albert Duin
bemerkte. Freilich ist die FDP mittlerweile so tief unten, dass es
eigentlich nur noch nach oben gehen kann. Und andererseits liefert
die Groß-Koalition der drei Sozial-Parteien, CDU, CSU und SPD,
genügend Stoff, an dem sich liberale Ideen entzünden können.
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