13.10.2013 21:38:58
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Regierunsgbildung: Die Woche der Entscheidung von Reinhard Zweigler
Zu den Grundregeln beim Pokern gehört, das eigene - gute oder schlechte - Blatt ohne sichtbare Regung in der Hand zu behalten. Wer zu viel und zu schnell Preis gibt, was er hat, ist auf Dauer nicht erfolgreich. Nun sind Koalitionsgespräche, oder auch nur Sondierungen, keine Pokerrunden. Doch ein wenig von den Grundregeln des Kartenspiels beherrschen auch die Koalitionäre in spe, die sich heute und morgen am Verhandlungstisch wieder sehen. Das gilt für alle Beteiligten. Für die Schwarzen, die zwar bei der Wahl vor drei Wochen, "Mutti" Merkel sei dank, ordentlich zulegten, aber dennoch einen Partner zum Regieren brauchen. Für die Roten von der SPD, die mit einem unglücklichen Kandidaten, der fast in der Versenkung verschwunden ist, nur mäßig besser abschnitten als vor vier Jahren. Für die Grünen, die nach Wahldesaster mit alter abgehalfteter und neuer Führung zugleich recht kopflos antreten. Das Pokern hat längst begonnen. Auffällig im Lager von CDU und CSU ist seit Donnerstag, wie flott den Merkel, Seehofer und Co. Schwarz-Grün über die Lippen geht. Die Ökopartei, die zuletzt mit kräftigen Steuererhöhungen, platten Ernährungsvorschriften oder dem kriminellen Sexualleben einiger altvorderer Mitglieder die Wähler verschreckte, scheint plötzlich wieder salonfähig. Selbst der CSU-Chef, der eigentlich schon beim Gedanken an die Grünen und ihren linken Vorturner Jürgen Trittin Pickel bekommen müsste, hat Kreide gefressen und lobt die Professionalität der Ökopartei. Dass der neue aus Bayern kommende Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter Fehler seiner Partei einräumt, gehört offenbar auch zum Koalitionspoker. Die Union hält das grüne Blatt noch fest in der Hand, wohl auch um den roten Mitspielern zu si-gnalisieren: Wir könnten auch anders. Schaut man auf die inhaltlichen schwarz-grünen Schnittpunkte, wird jedoch rasch klar, ein Regierungsbündnis aus Union und der verbürgerlichten Ökopartei ist zu schwachbrüstig. Könnte man sich beim Mindestlohn vielleicht noch verständigen, käme es in der Industrie- und Umweltpolitik ganz dick. Und in der Flüchtlingspolitik liegen Welten zwischen einer Claudia Roth und einem Hans-Peter Friedrich. Dem CSU-Innenminister würden die Grünen nur bei völliger Aufgabe ihrer Selbstachtung eine zweite Amtszeit einräumen. Freilich ist es auch noch etwas zu früh, bereits jetzt alles auf die schwarz-rote Karte zu setzen. Die großen Hürden liegen noch vor Union und SPD. Auch wenn man sich beim Mindestlohn wohl auf einen Formelkompromiss wird retten können. Selbst bei der Energiewende liegen die traditionell Kohle- und Industrie-freundliche SPD und die Union nicht meilenweit getrennt. Spannender werden da schon die Finanz- und Haushaltspolitik. Die Sozialdemokraten haben zumindest bereits etwas Beinfreiheit bei den eigentlich verlangten Steuererhöhungen signalisiert. Sollte der Bund auch ohne höheren Spitzensteuersatz genügend Geld einnehmen, um bessere Bildung, höhere Mütterrenten, mehr Kita-Plätze und sanierte Brücken und dergleichen mehr zu bezahlen, wäre es auch recht. Selbst beim heiß umkämpften Betreuungsgeld, dem Lieblingskind der CSU, scheint eine Brücke denkbar. Entweder man gibt die Sozialleistung in die Hände der Länder oder vereinbart eine Überprüfung in zwei Jahren. So oder so müssen diese Woche die Karten insoweit aufgedeckt werden, dass klar wird, wer mit wem im Bund künftig zusammenspielen will.
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