06.01.2014 19:54:59
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu FDP
Regensburg (ots) - Es ist ein bei den Liberalen immer noch
ungewohntes, ja bedrückendes Gefühl: Die FDP ist eine
Oppositionspartei außerhalb des Bundestages. Der Schock über den
Absturz in die politische Holzklasse sitzt tief. Auf dem Parteitag
vor vier Wochen in Berlin fand der große, personelle Kehraus statt.
Die einstige Übergangs-Führungsmannschaft von Philipp Rösler oder
Rainer Brüderle wurde sang- und klanglos abgehalftert. Der neue Stern
der FDP heißt seitdem Christian Lindner. Auch gestern riss der
begnadete Redner und Zögling von Übervater Hans-Dietrich Genscher den
immer noch zahlreichen FDP-Anhang im Stuttgarter Opernhaus wieder zu
stehenden Ovationen hin. Doch reicht das? Das Dreikönigstreffen im
urliberalen Stammland Baden-Württemberg war fast sechs Jahrzehnte
lang der programmatisch-kantige Auftakt der FDP. Heuer diente er vor
allem der Selbstvergewisserung: Wir sind noch - oder wieder - da!
Lindner hat mit seiner aufrüttelnden Rede - wie zuvor auf dem
Berliner Parteitag - den brutalen Absturz und das inhaltliche Vakuum
der FDP vergessen gemacht. Doch sein einstündiger Diskurs über
Europa, den Wert von Freiheit und Bürgerrechten, sozialer
Marktwirtschaft und Eigenverantwortung im Allgemeinen enthielt nichts
wirklich Neues. Lindner ist ein begnadeter Verkäufer abgestandener
Weisheiten. Nicht mehr und nicht weniger. Wie genau sich die "Partei
der Freiheit" jedoch wieder aus dem politischen Abseits
herausmanövrieren will, sagte Lindner nicht. Und was seiner neuen
Generalsekretärin Nicola Beer dazu einfiel, half auch nicht wirklich
weiter. Es nützt nichts, die FDP muss sich nicht nur durch eine
veränderte Personalriege, sondern auch durch eine frische politische
Agenda neu aufstellen. Als Ein-Themen-Partei der unbedingten
Steuersenkung, in die sie von Guido Westerwelle gepresst worden war,
hat sie jedenfalls gründlich Schiffbruch erlitten. Unter Lindner,
Kubicki und Co. irrlichtert sie noch durch die politische Landschaft.
Da wirken die Attacken der neuen FDP-Spitze gegen Schwarz-Rot, das
sich, kaum vereint, zurzeit immer weiter zerstreitet, oder gegen die
Europaskeptiker der Alternative für Deutschland (AfD) zwar erst
einmal wie Doping für den eigenen Laden, doch auf Dauer wird sich die
FDP nicht als "Dagegen"-Partei etablieren können. Das können andere
besser, hemmungsloser. Zumindest hat die neue Führungsriege um
Lindner, dem letzten Hoffnungsträger der Partei, den Stil geändert:
zuhören, auf die Wähler zugehen, Demut statt Besserwissen, herzlich
statt herzlos und überheblich. Auch aus der fast sklavischen
Abhängigkeit von der Union hat sich die FDP unter Lindner gelöst. Sie
bemüht sich zumindest, selbstbewusst nach rechts und nach links, vor
allem aber nach vorn zu blicken. Es gibt ein paar Hoffnungsschimmer.
Viel Zeit zur gründlichen Neuausrichtung bleibt der
außerparlamentarischen FDP allerdings nicht. Im März stehen die
ersten Kommunalwahlen, im Mai die Europawahl und im Herbst gleich
drei Landtagswahlen an. Bereits dann muss Lindner "liefern". Sind die
Liberalen dabei erfolgreich, wird der junge Parteichef weiter als
König gefeiert. Scheitert die neuformierte FDP jedoch, werden latente
Flügelkämpfe erneut ausbrechen, wird man irgendwann Lindners Kopf
fordern. Die Zukunft der Partei ist offen. So oder so.
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