09.03.2016 23:57:38
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Julius Müller-Meiningen zu Papst Franziskus
Regensburg (ots) - Am kommenden Sonntag ist Papst Franziskus drei
Jahre im Amt. Jorge Bergoglio, der dieses Jahr 80 Jahre alt wird, hat
mit seinem undiplomatischen Stil für Begeisterung ebenso wie für
Kopfschütteln gesorgt. Franziskus hat sich in die Weltpolitik
eingemischt, Umweltschutz offiziell zum Teil des katholischen
Lehramts erhoben und die zentrale Botschaft seines Pontifikats
überdeutlich gemacht. Die Kirche soll weniger verurteilen, sondern
vor allem die Wunden der Menschheit heilen. Eine der größten Wunden
der Gesellschaft ist der Missbrauch Minderjähriger. Nach vielen
Skandalen in den vergangenen Jahren war die Kirche gezwungen, sich
des Themas intensiv anzunehmen. Einem Papst, der die Kirche als
Feldlazarett sieht, müsste die kompromisslose Haltung beim Thema
Kindesmissbrauch ganz besonders am Herzen liegen. Franziskus selbst
verurteilt die Täter wortmächtig und hat vertuschende Bischöfe zum
Rücktritt aufgefordert. Mehrmals hat der Papst Missbrauchsbetroffene
getroffen und ihnen versichert, ihre Sorgen ernst zu nehmen. Gegen
Widerstand im Vatikan setzte Franziskus zudem eine
Kinderschutz-Kommission ein, die Praktiken zur Verhinderung von
sexuellem Missbrauch durch den Klerus entwickelt. Auf dem Papier ist
Franziskus' Bilanz überzeugend. Es wirkt so, als gehe die Kirche den
nächsten Schritt. Doch wie ernst ist es dem Papst wirklich mit der
Aufklärung? Zuletzt kamen mehrfach Zweifel im Hinblick auf seine
Personalpolitik auf. Es wirkt, als hätten die alten Kader das Heft
weiter in der Hand. Sichtbar wurde das vergangene Woche bei der
Aussage des 74 Jahre alten Kardinals George Pell vor einer
australischen Untersuchungskommission. Franziskus hatte Pell in den
Kardinalsrat seiner engsten Berater berufen und zum Präfekten des
bedeutenden Wirtschaftssekretariats ernannt. Jetzt gab der Australier
zu, als einflussreicher Priester und Weihbischof in den 70er und 80er
Jahren in seiner Heimat nicht gegen notorische Missbrauchstäter aus
dem Klerus vorgegangen zu sein und kein Interesse an Aufklärung
gehabt zu haben. Für Betroffene wirkt die Laufbahn Pells wie blanker
Hohn. Denn sie zeigt, dass Wegschauen und Vertuschung in der Kirche
weiterhin nicht karriereschädlich sind, im Gegenteil. Statt Pell
wurde ein Mitglied der päpstlichen Kommission für Kinderschutz, der
Missbrauchsbetroffene Peter Saunders beurlaubt, weil er die
Widersprüche beim Namen nannte. Pell ist kein Einzelfall. Mit dem
chilenischen Kardinal Javier Francisco Errázuriz, einem Freund Jorge
Bergoglios, sitzt ein weiterer Mann der alten Garde im Kronrat des
Papstes. Auch Errázuriz hat in seiner Zeit als Erzbischof von
Santiago de Chile die Anzeigen Betroffener ignoriert. Seinen Einfluss
im Vatikan nutzend, verhinderte Errázuriz außerdem, dass der
Missbrauchsbetroffene Juan Carlos Cruz in die Kinderschutzkommission
berufen wurde. Cruz klagt mit zwei weiteren Betroffenen gegen die
Diözese Santiago und den heutigen Erzbischof Riccardo Ezzati wegen
Vertuschung. Franziskus erhob Ezzati hingegen zum Kardinal, ein
Zeichen absoluter Rückendeckung. Unterdessen halten die beiden
Granden des chilenischen Klerus ihre Hände schützend über vier
Bischöfe in Chile, die aus der Kaderschmiede des Missbrauchstäters
Fernando Karadima stammen und dessen Untaten bis heute leugnen. Damit
nicht genug. Franziskus nominierte den ehemaligen Primas der
belgischen Bischofskonferenz, Kardinal Godfried Danneels zweimal
persönlich für die Bischofssynode, obwohl Danneels im Jahr 2010 einen
Missbrauchsbetroffenen dazu aufgefordert hatte, seine öffentlichen
Anschuldigungen gegen einen Bischof wenigstens bis zu dessen
Pensionierung zurückzuhalten. Auch unter Franziskus zeigt sich, dass
der Kirche der Schutz ihres Ansehens und persönliche Beziehungen
wichtiger sind als eine echte Kehrtwende. Notwendig wäre, endlich
Bischöfe zur Verantwortung zu ziehen, die Täter aus dem Klerus
decken. Der Vatikan kündigte im Juni 2015 die Einrichtung eines
entsprechenden Tribunals bei der Glaubenskongregation an. Es ist bis
heute nicht in Betrieb.
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