20.12.2018 22:17:42
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Eine weise Entscheidung ist gefragt" von Christine Strasser zum Regensburger Korruptionsprozess
Regensburg (ots) - Richterin Elke Escher war vom Beginn des
Regensburger Korruptionsprozesses an nicht zu beneiden. Wie ist ein
so außergewöhnliches Verfahren zu führen? Die Richterin hat vieles
zugelassen. Kein Verteidiger kann bislang sagen, er habe ein
Argument, eine Sichtweise nicht vorbringen können. Insbesondere der
angeklagte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs hat großen
Spielraum in Sitzungssaal 104 bekommen - zulasten der beiden
Staatsanwältinnen, die sich viele Vorwürfe anhören mussten. Am
letzten Verhandlungstag vor der Weihnachtspause haben die Verteidiger
die Richterin mit einem massiven Antrag beschenkt. Sie fordern die
Einstellung des Verfahrens und begründen das größtenteils mit Fehlern
der Ermittler, die Escher selbst bereits scharf gerügt hat. Im neuen
Jahr wird eine weise Entscheidung von ihr gefragt sein. Dass der
Prozess platzt, ist trotzdem eher unwahrscheinlich. Das klang bei
einigen Sätzen der Richterin am Mittwoch durch. Sie will das
Verfahren wohl lieber "gut und sauber" zu Ende bringen. Eine
Einstellung hätte auch einen Makel: Der Korruptionsverdacht bliebe an
den Angeklagten haften. Insofern war es verwunderlich, dass auch
Wolbergs und seine Verteidiger dem Antrag zustimmten. Denn eigentlich
gaben gerade sie ja bislang immer die Aufklärung der Vorwürfe als
oberstes Ziel an. Nun weichen sie von dieser Marschroute ab. Die
Anwälte argumentieren so: Es stelle sich die Frage, ob man dieses
Verfahren noch mit der Überschrift Rechtsstaatlichkeit versehen
könne. Die Anwälte betonten, dass es darauf ankäme, sich "mit allen
Details des Verfahrens" zu beschäftigen. Angesichts einer so
zugänglichen Richterin wie Escher habe man da Glück. Es stimmt:
Verurteilungseifer hat das Gericht bislang nicht erkennen lassen.
Escher trägt eine Maske. Die besteht aus ihrem meist freundlichen
Lächeln. Welchen Plan sie dahinter verfolgt, bleibt offen. Es ist
aber gut möglich, dass sie sich in aller Ruhe und Akribie die
Puzzleteile für ihr späteres Urteil zusammensucht. Auch dass sie so
hart mit der Staatsanwaltschaft umspringt und deren
Erklärungsversuche für die Ermittlungsfehler unwirsch zurückweist,
ließe sich in diese Richtung interpretieren. Escher baut vor gegen
den Vorwurf, sie sei leichtfertig über Verstöße hinweggegangen. Auch
dass sie sich eine makellose Akte wünscht, könnte ein Zeichen dafür
sein, dass sie hier kein Einfallstor öffnen will, um ein mögliches
Urteil angreifbar zu machen. Den von der Verteidigung kritisierten
Verstößen kann sie mit Verwertungsverboten der rechtswidrig erhobenen
Beweismittel und mit Strafmilderung im Urteilsspruch begegnen. Die
Verteidiger haben im übrigen in ihrem seitenlangen Antrag auch darauf
hingewiesen, dass das in solchen Fällen üblich ist. Aus den
Ermittlungsfehlern folgt nicht automatisch, dass der
Oberbürgermeister zu Unrecht auf der Anklagebank sitzt. Denn
eigentlich geht es in dem Verfahren ja um die Vorwürfe der
Vorteilsannahme beziehungsweise der Vorteilsgewährung. Die ersten
drei Prozessmonate haben ergeben, dass es durchaus einige Indizien
gibt, die gegen Wolbergs und die drei Mitangeklagten sprechen
könnten. Ein Beispiel ist die E-Mail von Ex-SPD-Rathausfraktionschef
Norbert Hartl an Bauträger Volker Tretzel. Darin bittet er um
Änderungswünsche in einem Vorentwurf der späteren Ausschreibung für
das umstrittene Grundstücksgeschäft, das als Dreh- und Angelpunkt des
Prozesses gilt. Diese E-Mail ging auch an OB Wolbergs. Der wiederholt
dazu mantraartig, dass er sie damals nicht zur Kenntnis genommen
habe. Durch das permanente Wiederholen prägt sich diese Erklärung
ein, ob sie schlüssig ist, muss aber das Gericht erst noch
entscheiden. Das gilt auch für verschiedene weitere offene Fragen. Um
sie zu beantworten, bleiben noch mehr als 30 Verhandlungstage.
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