19.05.2015 22:52:38

Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Entbürokratisierungskampagne: Nur gut gemeint von Daniela Weingärtner

Regensburg (ots) - Brüssel produziere zu viel Bürokratie, sind 74 Prozent der Europäer überzeugt. Deshalb ist die neue EU-Kommission mit dem Versprechen angetreten, den Wust an Vorschriften und Gesetzen zu reduzieren. Kosten und Nutzen sollen noch strenger kontrolliert, die Rechtsakte alle fünf Jahre daraufhin überprüft werden, ob sie noch sinnvoll sind. Da Brüssel oft die Prügel bezieht, wenn in Wahrheit die eigene Regierung für ein Bürokratiemonster verantwortlich ist, sollen EU-Mindestvorschriften und nationale Zusatzregeln künftig gekennzeichnet werden. Trotz Lobes seitens der Abgeordneten sind nicht alle mit dem Vorschlag glücklich. Denn wenn die Kommission keine Gesetzentwürfe mehr vorschlägt, haben die Abgeordneten weniger Gelegenheit, sich zu profilieren. Mit der frei werdenden Energie könnten sie kontrollieren, ob bestehende EU-Gesetze umgesetzt und angewandt werden. Das ist keineswegs immer der Fall. Allerdings bringt diese Kleinarbeit weniger öffentliche Anerkennung, als eine zündende Debatte um ein neues Gesetz. Hinzu kommt, dass neue Regeln nur dann als entbehrlich gelten, wenn es nicht das eigene Spezialgebiet betrifft. Ein Verbraucherschutzexperte ist nie mit dem Status quo zufrieden. Ein Fachmann für den Justizbereich kennt die Probleme, die entstehen, wenn das Scheidungsrecht oder die Sozialgesetzgebung in den EU-Staaten zu unterschiedlich sind. Den guten Vorsatz, in Europa mit weniger Paragrafen auszukommen, gab es schon oft. Doch letztlich sind es die Bürger selber, die zwar einen schlanken Staat wollen, aber nach neuen Gesetzen verlangen, wenn etwas schiefgeht. Da sich daran nichts Grundlegendes ändern wird, ist diese Entbürokratisierungskampagne vermutlich genauso zum Scheitern verurteilt, wie all ihre Vorgänger.

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