11.04.2014 18:18:58
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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Asylpolitik
Während man sich in Europa über das schöne Frühlingswetter freut,
bringt es illegalen Bootsflüchtlingen häufig den Tod: Denn kaum legen
sich Winter- und Gewitterstürme, blüht das Geschäft der
Menschenschleuser. Auf seeuntüchtigen Nussschalen pferchen sie
Auswanderer ein und schicken sie zu Tausenden auf die gefährliche
Fahrt übers Mittelmeer. Geht die Reise nicht direkt in den Tod, endet
sie in den Abschiebe-Lagern an Italiens und Griechenlands Küsten.
Erst gestern griff die italienische Marine erneut 900 Flüchtlinge
auf. Weitere 600 000 sollen an libyschen Stränden auf ihre Chance
warten. Europa wird sich auf alarmierende Nachrichten gefasst machen
müssen. Die letzte Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa ist erst
wenige Monate her. Damals übertrafen sich Europas Politiker
gegenseitig an Betroffenheit. Seitdem ist tatsächlich etwas passiert:
Sowohl die Grenzschützer der EU-Agentur Frontex als auch die
nationalen Küstenwachen haben nun den expliziten Auftrag,
Schiffbrüchigen zu Hilfe zu kommen. Das war nicht immer so.
Italienische Fischer machten sich bis zuletzt sogar strafbar, wenn
sie Flüchtlinge in Seenot retteten. Insofern hat die EU hier wirklich
Fortschritte gemacht. Auch das Hightech-Überwachungssystem Eurosur
wird seinen Beitrag dazu leisten, Schiffbrüchige schneller
aufzuspüren. Genauso wichtig ist es jedoch, den Menschenhändlern das
Handwerk zu legen. Diese nutzen Europas neueste Order an Frontex
-nämlich den Schiffbrüchigen zu helfen - längst für ihre Zwecke aus.
Schrottboote werden mit noch mehr Menschen beladen, die Havarie wird
zum Kalkül. Und so füllen sich die Auffanglager an Europas Küsten
wieder. Die Mitgliedsstaaten sind gut beraten, wenn sie Italien dabei
zu Hilfe kommen. Gerade jetzt, wo die Europa-Wahl vor der Tür steht,
muss die Flüchtlingsproblematik mit Sachverstand diskutiert werden.
Die etablierten Parteien dürfen das Thema nicht den Rechtspopulisten
überlassen, die mit billiger Panikmache vor illegaler Einwanderung
auf Stimmenfang gehen. In der Debatte muss es auch darum gehen, die
Idee einer koordinierten Einwanderung nach Europa zu entwerfen.
Natürlich stimmt es, dass eine Besserung der Zustände in den
jeweiligen Heimatländern das Problem von selbst lösen würde. Weniger
Flüchtlinge würden die gefährliche Reise auf sich nehmen, wenn sie
ein wirtschaftliches Auskommen in ihrer Heimat hätten. Doch man muss
den Tatsachen ins Auge sehen: Solange in Libyen, Syrien, Mali oder
der Zentralafrikanischen Republik so gut wie keine staatliche Ordnung
herrscht, findet die europäische Entwicklungspolitik unter
erschwerten Bedingungen statt. Millionenhilfen drohen, nutzlos zu
verpuffen. Ebensowenig hilfreich ist die Forderung nach einer
Komplettöffnung der EU-Außengrenzen. Es gibt kein Land auf der Welt,
das dies tut. Abgesehen von politischen Flüchtlingen, die in der EU
sowieso ein Recht auf Aufnahme haben, sollten sich die
Mitgliedsstaaten deshalb zu echten Solidarmaßnahmen bekennen. Um die
Mittelmeer-Anrainer zu entlasten braucht es eine gerechtere
Lastenverteilung bei der Aufnahme und Betreuung der Asylsuchenden.
Die Dublin-Verordnung steht diesem Ansinnen im Weg. Darüber hinaus
braucht Europa einen Plan für eine koordinierte, legale Einwanderung
aus Drittstaaten. Quoten für einzelne Länder wie es sie
beispielsweise in den USA gibt, müssten auch in der EU eingeführt
werden. Sowohl Martin Schulz als auch Jean-Claude Juncker, die sich
beide um den Kommissionsvorsitz bewerben, wollen sich für einen
solchen Plan stark machen. Bleibt zu hoffen, dass diese Ansage mehr
ist als reines Wahlkampf-Getöse. Europa als reichster Kontinent muss
seiner Verantwortung gerecht werden.
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