22.12.2013 20:29:58

Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Michail Chodorkowski: "Der geläuterte Oligarch" von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots) - Michail Chodorkowski ist und bleibt eine schillernde Persönlichkeit. Auch jetzt nach seiner spektakulären Freilassung aus zehnjähriger Lagerhaft und seinem diplomatischen Presseauftritt gestern in Berlin. Chodorkowski gibt sich als geläuterter Oligarch, als freiheitsliebender Feingeist, den keine Milliardengeschäfte mehr reizen und der nicht mehr gegen Wladimir Putins "gelenkte Demokratie" aufbegehren wird. Der Kampf um die Macht ist nicht mehr sein Ding. Stattdessen will sich der russische Ex-Staatsfeind Nr. 1 fortan um die Freilassung von politischen Gefangenen kümmern. Auch als Finanzier der russischen Opposition scheidet er aus. Dass sich Chodorkowski politisch scheintot stellt, war wohl der Preis für seine Begnadigung durch Putin. Dabei ist Chodorkowski so etwas wie ein Wanderer zwischen den Welten. Der geschäftstüchtige Ex-Komsomol-Funktionär machte unter Jelzin schnell und brutal Karriere, wurde zum reichsten Mann Russlands und einer der mächtigsten Oligarchen. Diese Rolle könnte Chodorkowski noch heute spielen, wenn er sich vor über zehn Jahren nicht mit "Zar Putin" angelegt hätte. Der asketische Geschäftsmann überschätzte offenbar seine Macht und wagte es, dem allmächtigen Präsidenten zu widersprechen. Als er sich noch dazu politisch betätigte und Ambitionen auf das Präsidentenamt offenbarte, wurde es Putin zu viel und er ließ die Justiz gegen Chodorkowski von der Kette. Doch der Fall des in zwei politisch motivierten Prozessen verurteilten Managers führte, international betrachtet, zugleich zu einem Ansehensverlust des Kreml. In Russland selbst lief die Propagandamaschinerie der staatlich gelenkten Medien gegen Chodorkowski auf vollen Touren - und verfehlte seine Wirkung nicht. Für Putins Entscheidung, Chodorkowski frei zu lassen, gibt es mehrere Gründe: Der Kremlchef zeigt "Milde" gegenüber seinem Kritiker und versucht so, im Vorfeld der Spiele von Sotschi ein Image als "weiser" Präsident aufzubauen. Schon hofft der Westen auf ein Fenster der Öffnung Moskaus zu mehr Demokratie und Menschenrechten. Die westlichen Staaten sollten jedoch jetzt nicht auf die Charmeoffensive Putins hereinfallen, sondern ihn vielmehr beim Wort nehmen. Auch deshalb, weil Putin im Moment größtes Interesse daran hat, sich als ein guter Gastgeber der Olympischen Winterspiele in Sotschi zu präsentieren. Oppositionelle in Straflagern sowie Proteste dagegen könnten die schönen Bilder im Schnee des Kaukasus empfindlich stören. Nach Sotschi fahren, dort Flagge für Demokratie und die Rechte von Minderheiten zeigen, ist allemal besser, als in Berlin, Brüssel oder Washington zu schmollen. Chodorkowski erinnerte gestern daran, dass in Sotschi ein Fest des Sports gefeiert wird, nicht eines von Putin. Eine fast schon weise Erkenntnis des ehemaligen Oligarchen.

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