13.02.2014 21:18:01
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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Martin Schulz in Israel
Es gibt keinen anderen Ort für einen deutschen Politiker, der mit
so vielen Fallstricken versehen ist wie das israelische Parlament.
Eine Rede vor der Knesset - noch dazu in der Muttersprache - bedeutet
einerseits natürlich eine große Ehre. Andererseits stellt sie eine
höchst diffizile Angelegenheit dar - egal ob nun die Bundeskanzlerin
spricht oder der Präsident des Europaparlaments. Es versteht sich aus
der geschichtlichen Verantwortung Deutschlands heraus von selbst,
dass der Redner einen umfassenden Bogen spannen muss. Er muss die
historische Urschuld des Holocausts ansprechen und gleichzeitig das
Existenzrecht Israels betonen. Nun also hat Martin Schulz, der
Präsident des EU-Parlaments, einen Eklat ausgelöst - obwohl er das
oben genannte Pflichtenheft brav abgearbeitet hat und der Tenor
seiner Rede absolut israelfreundlich war. Er versicherte die
Solidarität gegen Bedrohungen von außen, er unterstützte das Recht
Israels, seine Menschen zu schützen und er erklärte, dass Israelis
und Palästinenser nur selbst Frieden schließen können. Doch einen
entscheidenden Fehler muss sich Schulz vorwerfen lassen: Als er die
hochbrisante Wasserfrage ansprach, hantierte er mit Zahlen, die er
ungeprüft übernahm. Das ist ein schweres diplomatisches Missgeschick,
mit dem sich Schulz angreifbar macht und das ultranationale Parteien
natürlich dankbar nutzen, um Tumulte zu provozieren. So machte sich
Schulz selbst zum Spielball der innenpolitischen Konflikte in Israel.
In dem Krawall geht völlig unter, dass der EU-Politiker eine durchaus
berechtigte Frage gestellt hat. Dass die Israelis vom knappen Wasser
im Westjordanland viel größere Mengen abschöpfen als die
Palästinenser, räumt etwa der frühere Botschafter Avi Primor ganz
offen ein. Dabei ist die Wasserverteilung ein zentraler Konflikt, der
bald die gesamte Region vor eine Zerreißprobe stellen könnte. Die
dünnhäutigen Reaktionen in der Knesset auf die Rede von Schulz rühren
aber nicht daher, weil ein Deutscher in der Knesset einen Fauxpas
begangen hat. Schulz wurde von den Politikern, die aus Protest den
Saal verließen, sehr wohl als ranghoher Vertreter der EU
wahrgenommen. Der Eklat zeigt vor allem, dass sich bei vielen
Politikern in Israel zunehmend die Angst vor einer Isolation
breitmacht. Man fühlt sich von den Europäern, die auf den Stopp des
illegalen Siedlungsbaus und eine Zwei-Staaten-Lösung drängen, im
Stich gelassen - und fürchtet gleichzeitig wirtschaftlichen Druck.
Natürlich kann ein EU-Parlamentspräsident nicht nur die Dinge sagen,
die allen gefallen. Doch wer sich von der EU gegängelt, bevormundet
und unter Druck gesetzt fühlt - wie Teile der israelischen Politik -
reagiert besonders empfindlich. Dann wird eine Kritik, die in einem
mehrseitigen Redemanuskript zwei Zeilen ausmacht, schnell zu einer
unerbetenen oder unverschämten Einmischung von außen skandalisiert.
Es war sicher nicht die Absicht von Schulz, mit seinem
Wasservergleich einen Eklat zu provozieren. Aber es ist ihm gelungen,
bei denen, die ihn falsch verstehen wollten, falsch verstanden zu
werden. Schulz, der EU-Kommissionspräsident werden will, wird nun vor
Augen geführt, wie groß die Fallhöhe bei einem Auftritt in der
Knesset sein kann. Dieses Forum ist eben nicht - so wie er erklärte
mit dem EU-Parlament vergleichbar, wo ab und an durchaus raue Sitten
herrschen. Vielmehr ist es eine Art Bewährungstest für die hohe Kunst
der Diplomatie. Für den anstehenden Europawahlkampf mögen die
Schlagzeilen aus Israel dem SPD-Spitzenkandidaten Schulz sogar
nützlich sein. Ein Empfehlungsschreiben für den Kommissionsvorsitz
sind sie allerdings nicht. Seine politischen Gegner in Europa werden
die Knesset-Rede instrumentalisieren, um ihn für diesen Posten zu
diskreditieren.
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