04.11.2016 22:17:39
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Mittelbayerische Zeitung: Dobrindts Maut-Show / Der Kompromiss mit der EU ist ein großer Erfolg für den Bundesverkehrsminister - mehr aber auch nicht. Leitartikel von Martin Anton
Regensburg (ots) - Jetzt hat er es allen gezeigt. Die Nachricht
von Donnerstagabend hat Befürworter und Kritiker gleichermaßen
überrascht. Galt der Hauptdarsteller doch zuletzt in weiten Teilen
der Öffentlichkeit als gescheiterte und etwas skurrile Figur mit
seltsamem Modegeschmack. Die Rede ist nicht vom ehemaligen
Bundesliga-Profi Tim Wiese und seinem erfolgreichen Wrestling-Debüt
in München, sondern von Alexander Dobrindt (CSU) und der
bevorstehenden Einigung mit der EU-Kommission bei der Pkw-Maut. Nach
aktuellem Stand scheint die sogenannte Infrastrukturabgabe in
Deutschland nun doch zu kommen. Die Kommission wird wohl ihre Klage
vor dem Europäischen Gerichtshof zurückziehen. Anders als Wiese, der
seiner neuen Profession als Catcher entsprechend große Töne spuckte,
freute Dobrindt sich eher zurückhaltend, fast staatsmännisch über
seinen Coup. Wie beim Wrestling stellt sich allerdings auch bei der
großen Maut-Nachricht die Frage: Wie viel Substanz steckt hinter der
Show? Fest steht: Dobrindt hat sich durchgesetzt. Gegen die
Opposition ebenso wie gegen die Koalitionspartner, die irgendwann den
Glauben an Dobrindts Maut verloren - oder ihn nie hatten. Jetzt hat
sich der Verkehrsminister als hartnäckiger Verhandlungsmeister
profiliert. Bei einem Scheitern hätte er ein Loser-Image gehabt, nun
ist er der harte Hund, der deutsche Interessen in Brüssel durchsetzt.
Das dürfte seine Position in der Bundesregierung ebenso stärken wie
in der eigenen Partei. Warum die EU-Kommission, unter persönlichem
Einsatz ihres Chefs Jean-Claude Juncker, sich auf den Deal mit
Dobrindt einlässt, lässt sich nur vermuten. Fürchtete sie eine
Niederlage vor dem EuGH? Wahrscheinlicher ist, dass Juncker einen
erneuten Anti-EU-Wahlkampf der CSU bei der Bundestagswahl 2017
verhindern wollte. Der wäre bei einem "Nein" zur deutschen
Maut-Variante wahrscheinlich gewesen. Jetzt können Parteichef Horst
Seehofer und Dobrindt die Einigung als Erfolg verkaufen, als Zeichen
der Durchsetzungsfähigkeit der Partei auf Bundes- und EU-Ebene. Ob es
sich bei der Pkw-Maut auch objektiv um einen Erfolg handelt, ist
fraglich. Viel Zeit und Kraft hat das Maut-Thema in den vergangenen
drei Jahren gekostet. Auch jetzt hat Dobrindt es wieder geschafft,
dass sein Thema die Schlagzeilen dominiert - während in der Türkei
die Demokratie abgeschafft wird. Was hätte ein so
durchsetzungsfähiger Verkehrsminister in dieser Zeit nicht alles
schaffen können? Stattdessen wird der Maut-Flickenteppich in Europa
vergrößert. Eine sinnvolle Lösung, nämlich eine einheitliche
europäische Regelung, rückt in weite Ferne. Dafür wird der obskure
Gerechtigkeitssinn derer befriedigt, die sich bisher durch die
Vignettenpflicht bei den europäischen Nachbarn benachteiligt fühlten.
Dabei wird außer vergessen, dass dort die Einheimischen nicht für die
Maut kompensiert werden. Als Erfolg der EU-Verhandlungspartner kann
die stärkere Berücksichtigung von Umweltaspekten verzeichnet werden.
Ob aber deutsche Autofahrer beim neu ausgehandelten Kompromiss
tatsächlich nicht draufzahlen müssen, bleibt abzuwarten. Denn auch
wenn bei der Einführung nach Entlastungen bei der Kfz-Steuer ein
Nullsummenspiel herauskommt, kann sich die Rechnung in späteren
Jahren doch noch ändern. Zumal die Einführung der Pkw-Maut in
Deutschland immer noch verhindert werden kann. Während Dobrindt sich
auf dem CSU-Parteitag in München feiern lässt, denken Anrainer wie
Österreich oder die Niederlande möglicherweise schon über neue Klagen
vor dem EuGH nach. Das Thema Pkw-Maut wird uns noch lange begleiten.
Nicht weil es wichtig oder sinnvoll ist, sondern weil Dobrindts
Karriere und die Glaubwürdigkeit der CSU davon abhängen. Also gilt:
The Maut-Show must go on.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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