11.12.2014 19:52:58
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Mittelbayerische Zeitung: Die Stehenbleiber / Bayern macht schlaue Kinder schlauer, gehört aber in die Förderklasse für Chancengleichheit. Leitartikel von Claudia Bockholt
Regensburg (ots) - Hinter jedem Prozentpunkt stecken kleine
Menschen. Das muss man sich vor Augen führen, wenn man sich durch die
neuesten Zahlenkolonnen der Bertelsmann-Stiftung arbeitet. Am Beginn
einer Schullaufbahn müsste ja eigentlich noch alles drin sein: die
ganze Palette persönlicher Entwicklung zwischen Scheitern und Erfolg.
Doch wieder zeigt sich: Bayern stellt die Weichen zu früh. Nicht nur,
weil es auf bürgerliche Elitenförderung setzt und den Nachwuchs
bildungsferner Schichten abhängt. Sondern auch, weil Kinder in
einzelnen Regionen von vornherein schlechtere Aussichten auf einen
hohen Bildungsabschluss haben - ebenfalls ganz unabhängig davon, was
ihr Kopf hergibt. Den Tadel dafür hat nicht nur das
Bildungsministerium verdient. Hier haben einige ihre Hausaufgaben
nicht gemacht. Allzu gemächlich zockelt das moderne Bildungsland
Bayern weiter der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher. Mehr
berufstätige Frauen, mehr Alleinerziehende, weniger Kinderbetreuung
im Familienverbund: Die Antwort darauf sollte die gebundene
Ganztagsschule sein - die gleichzeitig Kindern aus bildungsfernen
Schichten erlaubt, ihre Defizite etwa in der Sprachentwicklung
auszugleichen. Doch seit 2010 ist der Anteil der Schüler, die
nachmittags betreut werden, nur von 10,5 auf 12,4 Prozent gestiegen.
Der Bundesdurchschnitt liegt fast dreimal so hoch. Und häufig handelt
es sich bei er Betreuung um wenig mehr als Hausaufgabenaufsicht.
"Konsequent baut Bayern Ganztagsschulen aus, um Schülerinnen und
Schüler unabhängig vom Elternhaus noch stärker zu fördern":
Verschnupft reagierte das bayerische Bildungsministerium gestern auf
die Kritik aus Gütersloh. Einen verräterischen Satz schob es noch
schnell hinterher: "Die Entscheidung liegt bei den Eltern, ob ein
Kind eine Ganztagsschule besucht." Da fragt man sich, ob politischer
Wille zum Ausbau der Ganztagsbetreuung tatsächlich da ist - oder ob
nicht Entwicklungspotenziale von Kindern durchaus bewusst verschenkt
werden, weil am tradierten Familienbild der CSU festgehalten werden
muss. Auch die bayerischen Kommunen müssen sich fragen lassen, ob sie
das große Ganze im Blick haben oder nur auf eigene Interessen
schielen. Als Zuständige für den Schulentwicklungsplan sind sie
verpflichtet, die Infrastrukur für flächendeckend bestmögliche
Bildung sicherzustellen. Tatsächlich kommt aber der "Chancenspiegel"
zum Schluss, dass die Übertrittsquoten an höhere Schulen regional
höchst unterschiedlich sind - weil die Versorgung mit Schulen am Ort
unterschiedlich ist. Die Zahl der Schüler, die ihre Schullaufbahn
ohne Abschluss beenden, differiert regional ebenfalls sehr stark. Wie
kann das sein? Zusammenraufen, statt sich gegenseitig Konkurrenz
machen: Das sollte für den ländlichen Raum gelten. Dafür brauchen die
Kommunen allerdings die Unterstützung des Freistaats. Ohne flexiblere
Handhabung der Schulformen wird die Schullandschaft weiter ausdünnen,
statt möglichst viele junge Menschen möglichst weit nach oben zu
katapultieren. Wer aus gutem Hause kommt und genug Grips hat, dem
bietet Bayern die perfekte Startrampe. Diese Kinder, so die Studie,
sind ihren Altersgenossen in Mathematik um Jahre voraus. Jetzt
müssten nur noch die mitgenommen werden, denen es das Leben schwerer
macht. Im reichen Deutschland wächst mit jedem Kind das Armutsrisiko.
Weil Bildung verhindert, dass aus armen Kindern arme Erwachsene
werden, bringt hier jeder Euro gute Rendite. Es sei daran erinnert,
dass sich die skandinavischen Musterschüler die Zukunft ihrer Kinder
im Schnitt 50 Prozent mehr kosten lassen. Die können wirklich
rechnen.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/pm/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
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