18.10.2019 16:21:43

Merkel pocht nach Gipfel weiter auf EU-Perspektive im Westbalkan

BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich nach der Uneinigkeit beim EU-Gipfel in der Westbalkan-Frage erneut für eine Beitrittsperspektive für Albanien und Nordmazedonien stark gemacht. "Ich glaube, es ist in unserem europäischen Interesse, diese Länder auch in die Europäische Union eingebunden zu haben", sagte Merkel bei einer Pressekonferenz nach dem zweitägigen Spitzentreffen in Brüssel. "Wenn wir etwas versprechen, wenn wir bestimmte Maßstäbe setzen, dann muss Europa auch berechenbar sein."

Zuvor hatte es unter den EU-Staats- und Regierungschefs keine Einstimmigkeit für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien gegeben. Vorbehalte hatten vor allem Frankreich, Dänemark und die Niederlande. Es sei auch nicht möglich gewesen, "Formulierungen zu finden, die den unterschiedlichen Meinungen gerecht wurden", sagte Merkel. Der Rat habe sich nur darauf verständigt, an dem Thema dranzubleiben. Man wolle nun vor dem Westbalkan-Gipfel im Frühjahr 2020 darauf zurückkommen.

Nordmazedonien habe "Erhebliches geleistet", erklärte die CDU-Politikerin, "deswegen haben wir uns da sehr eingesetzt". Auch in Albanien seien Fortschritte erreicht worden, etwa bei der Einsetzung neuer Richter. Wenn die Vorbedingungen erfüllt seien, sollte die EU dem Wunsch dieser beiden Länder auch entsprechen. Es könne nicht sein, dass anschließend gesagt werde, "nun habt ihr euch angestrengt, aber uns ist jetzt wieder das Nächste eingefallen". Merkel lehnte auch eine Entkopplung beider Länder ab, um möglicherweise nur Nordmazedonien die EU-Perspektive zu bieten. Beide Länder seien sehr miteinander verbunden, erklärte sie. "Ich habe es gestern für besser gehalten, beide Länder zusammenzuhalten."

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte zuvor auch darauf gepocht, eine Reversibilität in den Beitrittsprozess einzuführen. Merkel sicherte zu, "dass wir die Beitrittsprozeduren nochmal transparenter gestalten". Die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen soll künftig umkehrbar sein können. "Dafür setze ich mich auch ein", erklärte Merkel und gab als Zeitrahmen die nächsten Monate an.

Merkel äußerte sich auch zur Militäroffensive der Türkei gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien. Die Schlussfolgerungen des EU-Rats zur angekündigten Waffenruhe bezeichnete sie als "klar und eindeutig". Die EU werde auch weiterhin mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sprechen. "Vielleicht kommt es jetzt ja zu einem Waffenstillstand, was für alle Beteiligten gut wäre." Merkel lehnte es aber ab, den EU-Türkei-Deal zum Gegenstand der Gespräche zu machen. "Ich verteidige dieses Abkommen zwischen der EU und der Türkei im Umgang mit den Flüchtlingen." Dies solle man auch nicht mit anderen Dingen vermischen.

Eine "sehr, sehr große Zustimmung" habe es unter den Staats- und Regierungschefs allerdings zu den Plänen der angehenden Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gegeben. Sowohl zu ihrem Anspruch, eine geopolitische Kommission zu sein, als auch zu ihren Schwerpunktthemen Klimawandel, Green Deal, Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit habe es Einhelligkeit gegeben. Zum Klimawandel wolle sich der EU-Rat nochmals vertieft im Dezember befassen.

Streitpunkt war auch das Geld. Die erste ausführliche Runde zur mittelfristigen finanziellen Vorausschau habe gezeigt, "dass wir von einer Einigkeit noch weit entfernt sind", so die Kanzlerin. Hier herrsche nun Zeitdruck. Andernfalls würden die konkreten Programme nicht mehr rechtzeitig zum Inkrafttreten des neuen Finanzplans ausgearbeitet sein. "Das wäre angesichts der Aufgaben doch nicht gut", so Merkel.

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

DJG/pso/sha

(END) Dow Jones Newswires

October 18, 2019 10:22 ET (14:22 GMT)

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