01.08.2014 23:05:58
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Lausitzer Rundschau: Äpfel und Birnen Wie ein fataler Denkfehler eine Islam-Debatte entfacht
Cottbus (ots) - Deutschland diskutiert über Gott und die Welt. Das
klingt gut - denn so häufig passiert das nicht. Der Anlass ist
weniger erfreulich. Es geht um einen Zeitungskommentar, in dem
Bild-Journalist Nicolaus Fest rät, in Asyl- und Einwanderungsfragen
Menschen mit muslimischem Hintergrund schlechter zu stellen als
Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis stammen. Der Autor
spricht also Menschen aufgrund ihres Glaubens wesentliche
Menschenrechte - wie das auf juristische Gleichbehandlung oder Asyl
ab. Eine Dummheit? Eine Provokation? Ein Hohn auf die Menschlichkeit? Vielleicht von allem etwas. Wenn solch eine krude These aber die Debatte über Gott und die Welt, über Religion und menschliche Werte auf Touren bringt, womöglich sogar zu neuen Erkenntnissen führt, dann möge es so sein. Einmal angenommen, Nicolaus Fest hat es gar nicht so gemeint. Dann also macht es Sinn, den Ball aufzunehmen und zurück ins Feld zu spielen. Denn einer aufklärenden Debatte über Religionen in Deutschland bedarf es durchaus, erst recht, wenn das Thema wie im beschriebenen Fall zu oft mit Vorurteilen und Halbwissen besprochen wird. Das trifft übrigens nicht nur auf das Thema Islam zu, sondern auch auf anderen Religionen wie das Christen- und das Judentum. Der Autor des strittigen Kommentars bezeichnet sich als religionsfreundlicher Atheist. Er glaube an keinen Gott, aber Christentum, Judentum oder Buddhismus störten ihn auch nicht. "Nur der Islam stört mich immer mehr." Anschließend zählt er verschiedene Formen der Kriminalität auf und meint - ohne auch nur einen einzigen Beleg anzuführen - es gebe eine "weit überproportionale Kriminalität von Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund". Spätestens an dieser Stelle ist es geboten, ein Stoppzeichen zu setzen. Die Gleichstellung von Islam (bezeichnet eine Religion) und Menschen, deren Eltern aus einem bestimmten Kulturkreis kommen, aber in Deutschland aufgewachsen sind ("Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund" bezeichnet eine soziale Gruppe) widerspricht jeder Logik. Ein Straftäter mit "muslimischem Hintergrund" hat mit der Religion "Islam" genauso viel (oder wenig zu tun) wie das Christentum oder der Atheismus mit Straftätern aus einem christlichen oder atheistischen Milieu. Will heißen: Weil ein Verbrecher das Kind atheistischer Eltern ist, heißt das noch lange nicht, dass der Atheismus ein verbrecherisches Weltbild vermittelt. Vor einigen Wochen veröffentlichte die Universität Münster eine Langzeitstudie zur Jugendkriminalität. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht krimineller als deutschstämmige seien. Es gibt auch andere Studien, die zu anderen Ergebnissen führen. Es kommt immer ein wenig darauf an, wie die Aufgabenstellung gefasst ist. Das ist Soziologie - immer etwas relativ. Und nicht so spektakulär wie ein provokanter Kommentar. Aber wenn es darum geht, zu neuen Erkenntnissen zu kommen, die dazu taugen, einer Debatte mehr Gehalt und Tiefe zu geben, ist es durchaus hilfreich, die Wissenschaft zu befragen, und das gerne auch vor der Formulierung und Veröffentlichung wilder Thesen.
ab. Eine Dummheit? Eine Provokation? Ein Hohn auf die Menschlichkeit? Vielleicht von allem etwas. Wenn solch eine krude These aber die Debatte über Gott und die Welt, über Religion und menschliche Werte auf Touren bringt, womöglich sogar zu neuen Erkenntnissen führt, dann möge es so sein. Einmal angenommen, Nicolaus Fest hat es gar nicht so gemeint. Dann also macht es Sinn, den Ball aufzunehmen und zurück ins Feld zu spielen. Denn einer aufklärenden Debatte über Religionen in Deutschland bedarf es durchaus, erst recht, wenn das Thema wie im beschriebenen Fall zu oft mit Vorurteilen und Halbwissen besprochen wird. Das trifft übrigens nicht nur auf das Thema Islam zu, sondern auch auf anderen Religionen wie das Christen- und das Judentum. Der Autor des strittigen Kommentars bezeichnet sich als religionsfreundlicher Atheist. Er glaube an keinen Gott, aber Christentum, Judentum oder Buddhismus störten ihn auch nicht. "Nur der Islam stört mich immer mehr." Anschließend zählt er verschiedene Formen der Kriminalität auf und meint - ohne auch nur einen einzigen Beleg anzuführen - es gebe eine "weit überproportionale Kriminalität von Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund". Spätestens an dieser Stelle ist es geboten, ein Stoppzeichen zu setzen. Die Gleichstellung von Islam (bezeichnet eine Religion) und Menschen, deren Eltern aus einem bestimmten Kulturkreis kommen, aber in Deutschland aufgewachsen sind ("Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund" bezeichnet eine soziale Gruppe) widerspricht jeder Logik. Ein Straftäter mit "muslimischem Hintergrund" hat mit der Religion "Islam" genauso viel (oder wenig zu tun) wie das Christentum oder der Atheismus mit Straftätern aus einem christlichen oder atheistischen Milieu. Will heißen: Weil ein Verbrecher das Kind atheistischer Eltern ist, heißt das noch lange nicht, dass der Atheismus ein verbrecherisches Weltbild vermittelt. Vor einigen Wochen veröffentlichte die Universität Münster eine Langzeitstudie zur Jugendkriminalität. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht krimineller als deutschstämmige seien. Es gibt auch andere Studien, die zu anderen Ergebnissen führen. Es kommt immer ein wenig darauf an, wie die Aufgabenstellung gefasst ist. Das ist Soziologie - immer etwas relativ. Und nicht so spektakulär wie ein provokanter Kommentar. Aber wenn es darum geht, zu neuen Erkenntnissen zu kommen, die dazu taugen, einer Debatte mehr Gehalt und Tiefe zu geben, ist es durchaus hilfreich, die Wissenschaft zu befragen, und das gerne auch vor der Formulierung und Veröffentlichung wilder Thesen.
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Pressekontakt: Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232 Fax: 0355/481275 politik@lr-online.de
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