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02.06.2016 21:02:37

Landeszeitung Lüneburg: "Die Verknüpfung zweier Welten" - Stephan Tromp,stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes HDE, sieht in digitaler Verzahnung zwischen Einzelha

Lüneburg (ots) - Der klassische Einzelhandel in den Innenstädten empfindet das Internet vor allem als Bedrohung. "Bis zu 50.000 Läden sind in Gefahr", sagt Stephan Tromp, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes HDE. In kleinen und mittleren Städten droht die Verödung. Aber Tromp sieht auch positive Effekte: "Die Verzahnung des Digitalen und des Analogen wird einen Innovationsschub auslösen. Die Ladentheke wird online verändert, Bezahlen wird einfacher."

Handel war schon immer Wandel. Erlebt der Einzelhandel im digitalen Zeitalter seinen größten Wandel?

Stephan Tromp: Der aktuelle Strukturwandel, den Digitalisierung und demografischer Wandel ausgelöst haben, ist zweifellos der größte Umbruch im Einzelhandel seit der Einführung der Selbstbedienung. Da kommen große Herausforderungen gerade auf die kleinen und mittelständischen Händler vor Ort zu.

Ernst & Young prognostizieren sogar dem Lebensmittelhandel, der bisher weitgehend gegen die Konkurrenz aus dem Netz immun war, einen rasanten Anstieg des Verkaufs über das Internet. Ist die Zukunft des Einzelhandels digital?

Tromp: Digital ist die Zukunft des Handels auf jeden Fall. Aber das heißt nicht, dass in Zukunft Handel nur noch online stattfindet. Vielmehr erleben wir eine zunehmende Verknüpfung von analoger und digitaler Welt. Immer mehr Händler sind sowohl online als auch im stationären Handel aktiv. Diese Entwicklung wird von den Kunden getrieben. Sie erwarten ihren Lieblingshändler sowohl beim Stadtbummel als auch beim Surfen auf der heimischen Couch. Viel Potenzial liegt noch in der Verbindung beider Welten etwa durch Services wie Click & Collect, also der Bestellung der Ware im Internet und der anschließenden Abholung im Geschäft. Darüber hinaus werden wir die Digitalisierung der Innenstädte und der Geschäfte im stationären Handel erleben. WLAN im Handel und in den Stadtzentren wird zur Normalität werden. Viele Händler wollen ihre Kunden mobil erreichen, Serviceleistungen und Angebote auf dem Handy anbieten. Eine nur geringe Rolle spielt der Online-Handel bisher im Lebensmittelhandel in Deutschland. Hier liegt der Umsatzanteil des Online-Geschäfts derzeit bei unter einem Prozent. Das hat sicher auch etwas mit der guten Nahversorgung und den hervorragenden Angeboten des stationären Handels zu tun. Die Kunden können bequem um die Ecke Lebensmittel kaufen, nur selten sind die Wege lang. Außerdem wollen viele die frischen Produkte vor dem Kauf sehen und riechen können. Angesichts des noch niedrigen Online-Anteils in diesem Bereich liegt hier noch viel Potenzial. Es wird spannend, in den nächsten Jahren zu beobachten, wie sich das weiterentwickelt.

Jeder fünfte Konsument bummelt seltener durch die Innenstadt, weil er per Mausklick kauft. Wird das Ladensterben abseits der Metropolen chronisch?

Tromp: Die Branche steht vor einem großen Umbruch: Bis 2020 könnten 50 000 Handelsstandorte wegfallen. Wer sich am Markt behaupten will, muss auf jeden Fall prüfen, ob es nicht Sinn macht, selbst in den Online-Handel einzusteigen. Das muss ja am Ende nicht der eigene Online-Shop sein, viele Händler verkaufen beispielsweise auch über Online-Marktplätze. Am Ende muss zumindest jeder Händler im Internet auffindbar sein. Und wenn er nur in den einschlägigen Suchmaschinen registriert und in den Bewertungsportalen aktiv ist.

Wie hoch ist der Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz und welche Prognosen gibt es?

Tromp: Derzeit liegt der Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz bei rund zehn Prozent. Bis 2020 könnten es dann 20 Prozent sein. Dabei verläuft das Online-Wachstum nicht in allen Produktgruppen mit der gleichen Dynamik: Bei Unterhaltungselektronik zum Beispiel kommt es derzeit kaum mehr zu Verschiebungen von offline zu online. Das liegt daran, dass hier schon über die vergangenen Jahre viele Umsätze ins Internet gewandert sind. Dagegen wachsen die Online-Ausgaben beispielsweise im Bereich Garten- und Grillgeräte sehr schnell. Diese Produkte haben die meisten Kunden bisher im stationären Handel gekauft.

Was macht Einkaufen zu einem Erlebnis, das den Klick auf den Einkaufskorb aussticht?

Tromp: Es geht ja nicht nur darum, besser als der Online-Handel zu sein. Das Gegeneinanderausspielen von Offline und Online bringt nichts. Die Verknüpfung beider Kanäle zum Multi- oder Crosschannelhandel ist das Entscheidende. Vom stationären Handel erwarten die Kunden dabei gute und individuelle Beratung sowie ein besonderes Einkaufserlebnis. Im Geschäft können die Kunden die Ware anfassen und ausprobieren. Deshalb setzen beispielsweise Sporthändler auf Kletterwände, an denen man die Bergausrüstung direkt testen kann.

Steigt die Bedeutung der Vorweihnachtszeit für den Einzelhandel, weil hier für viele ohnehin das Einkaufserlebnis im Vordergrund steht?

Tromp: Das Weihnachtsgeschäft ist schon immer die wichtigste Zeit für die Händler gewesen. Dann kaufen die Kunden Geschenke für Verwandtschaft, Familie, Bekannte und Freunde. Und auch sich selbst gönnt man zum Fest etwas Besonderes, da sitzt der Geldbeutel lockerer.

Welche Trumpfkarten können spezialisierte Einzelhändler gegenüber dem Online-Versandriesen amazon ausspielen?

Tromp: Für spezialisierte, kleinere Händler geht es darum, den persönlichen Kontakt zum Kunden zu pflegen, eine perfekte Beratung abzuliefern. Nur wer seine Kunden kennt, kann sie auch passend beraten. So entstehen Stammkunden,- und die sind das Wertvollste, was ein Händler erreichen kann.

Beim Kofferkauf stutzte ich jüngst über das Fotografierverbot in dem Laden. Doppelfrage: Wie können sich Einzelhändler sonst noch gegen den Beratungsklau wappnen? Gibt es auch den umgekehrten Trend: Information im Netz, Kauf um die Ecke?

Tromp: Der Beratungsklau ist ein überschätztes Phänomen. Nur bei 1,4 Prozent aller Non-Food-Ausgaben informieren sich die Kunden zuvor im stationären Handel. Häufiger ist es dagegen, dass sich die Kunden im Internet einen Überblick verschaffen und dann im Laden vor Ort einkaufen. Das betrifft immerhin rund vier Prozent aller Ausgaben. Für die Handelsunternehmen wird immer wichtiger, die Kunden auf beiden Kanälen abzuholen und sowohl im Internet als auch im Laden um die Ecke ansprechbar zu sein.

Muss sich der Einzelhändler, der auch einen Online-Auftritt plant, eine Nische suchen, um sich abzusetzen?

Tromp: Generell gilt im Einzelhandel: Alleinstellungsmerkmale sind wichtig. Die Kunden brauchen nicht den tausendsten identischen Online-Shop. Der stationäre Handel sollte auch im Internet seine lokale Verankerung betonen und sein Online-Angebot sinnvoll mit seinem Geschäft vor Ort verknüpfen. Das erhöht die Identifikation der Kunden mit dem Unternehmen.

Inwieweit ist das Digitale eine Chance, etwa, indem Einzelhändler dem bummelnden Passanten Werbung oder Rabatte aufs Smartphone aufspielen?

Tromp: Die Digitalisierung des stationären Handels ist eine Riesen-Chance. Werbung oder Rabatte sind dabei nur eine von vielen Möglichkeiten. Der Wegfall der WLAN-Störerhaftung wird dazu führen, dass dem Kunden im Handel vermehrt freie WLAN-Angebote angeboten und Services mit dem WLAN verknüpft werden. Das wird einen Innovationsschub im stationären Handel auslösen und die digitale Verzahnung zwischen stationärem Geschäft und Online vorantreiben. Da geht es um die Verknüpfung des Stores mit dem Online-Angebot des Handelsunternehmens über elektronische Preisetiketten, die gezielt das Smartphone ansteuern können. Die sogenannte verlängerte Ladentheke ermöglicht es dem Kunden, vor Ort das Produkt seiner Wahl zu begutachten, aber dann via Online zusätzliche Produktinformationen zu erhalten und die gewünschte Produktkonfiguration zusammenzustellen. Außerdem werden Payment- und Loyalty-Lösungen stärker genutzt werden. Die Ausrüstung von Kassenplätzen mit WLAN-Empfang wird die Verknüpfung von Kassensystemen mit dem Smartphone der Kunden vorantreiben und moderne Zahlungssysteme etablieren. Mit Hilfe von Apps werden Handelsunternehmen Zahlungsfunktion, Kundenbonusprogramme und Couponaktionen stärker als bisher verzahnen. Auch sind mehr Multimediaangebote bei der Produktinformation und -bewerbung vorstellbar. Vernetzte Angebote für den Standort Innenstadt sind eine große Chance. HDE und eBay haben deshalb erst vor Kurzem den Wettbewerb die digitale Innenstadt ausgerufen. So wollen wir zum einen insbesondere mittelständische Unternehmen motivieren, online Produkte und Services über Marktplätze anzubieten. Zum anderen soll das die Digitalisierung und Vernetzung aller Akteure am Standort Innenstadt voranbringen.

Welche Länder sind in Sachen Innovationen im Handel Vorreiter?

Tromp: Bei der Digitalisierung sind sicher die USA und Großbritannien ganz vorne.

Klassische Online-Händler wie Zalando eröffnen eigene Läden. Stößt E-commerce an Grenzen und ist die Zukunft analog-digital gemischt?

Tromp: Den Kunden kommt es nicht auf den Kanal an. Sie wollen möglichst einfach das passende Produkt kaufen - egal ob online oder offline. Deshalb geht der Trend zum Multichannel- oder Crosschannelhandel, der Verknüpfung beider Kanäle. Das erkennen zunehmend auch bisher reine Online-Händler. Und dieser Trend wird in den nächsten Jahren sicherlich noch stärker.

Das Interview führte

Joachim Zießler

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Pressekontakt: Landeszeitung Lüneburg Werner Kolbe Telefon: +49 (04131) 740-282 werner.kolbe@landeszeitung.de

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