Wie grün ist grün? |
02.09.2021 23:11:00
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Kritik an ESG-Anlagen: Ehemaliger BlackRock-Angestellter hält nachhaltiges Investieren für "ein gefährliches Placebo"
• Ex-BlackRock-Angestellter kritisiert nachhaltige Anlagen scharf
• Gewinnmaximierung und Blockierung echter Reformen?
Nachhaltiges Investieren hat nicht erst seit der COVID-19-Pandemie enormes Anlegerinteresse erfahren. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der so genannten ESG-Anlagen, also Anlagen im Bereich Environment Social Governance, enorm an. Nachhaltigkeit wurde zu einem Billionen-Trend und hat neben vielen Privatanlegern auch institutionelle Anleger auf den Plan gerufen. Auch die größte Fondsgesellschaft der Welt, BlackRock, investiert in diesem Segment. Doch nun kommt Kritik von überraschender Seite: Tariq Fancy, der selbst bei BlackRock als Chefanleger für nachhaltiges Investieren tätig war, argumentiert jetzt öffentlich gegen die Branche.
Experte mit Kritik an ESG-Anlagen
In einem Online-Essay wird der ehemalige BlackRock-Angestellte konkret und listet eine Reihe von Argumenten auf, die gegen ESG-Anlagen sprechen. So betont er unter anderem, dass er nachhaltiges Investieren für "ein gefährliches Placebo" halte, das öffentlichem Interesse schade. Seiner Ansicht nach geben sich Investoren in diesem Segment einer Reihe von Trugschlüssen hin. "Grüne Anleihen, bei denen Unternehmen Schulden für umweltfreundliche Zwecke aufnehmen, sind eine der größten und am schnellsten wachsenden Kategorien im Bereich nachhaltiges Investieren mit einer Marktgröße von mittlerweile mehr als 1 Billion US-Dollar", schreibt Fancy. Allerdings sei in der Praxis nicht ganz klar, "ob sie viele positive Auswirkungen auf die Umwelt haben, die sonst nicht aufgetreten wären".
Einer der Gründe dafür sei, dass die meisten Unternehmen, die einige grüne Initiativen am Start hätten, mit denen sie grüne Anleihen zu ihrer Finanzierung aufnehmen könnten, ihre Gesamtausrichtung nicht anpassen würden. "Nichts hindert sie daran, mit ihren anderen Finanzierungsquellen nicht-grüne Aktivitäten zu verfolgen", so der Experte weiter. Anbietern von grünen Anleihen, zu denen auch sein ehemaliger Arbeitgeber gehört, wirft er damit indirekt vor, ESG-Anlagen aus Marketinggründen auf den Markt zu bringen.
Gewinnmaximierung im Blick
Zeitgleich hätten Anbieter in diesem Segment seiner Ansicht nach die Verbesserung der eigenen Gewinnentwicklung im Blick, schreibt Fancy weiter. Finanzinstitute hätten eine offensichtliche Motivation, auf ESG-Produkte zu drängen, da diese höhere Gebühren mit sich brächten.
Während seiner Tätigkeit für BlackRock, in deren Rahmen er selbst Teil des Systems war, sei es nicht seine "Aufgabe gewesen, all das zu sagen", so der Experte. "Für mich besteht kein Zweifel daran, dass der bessere Weg zur Bekämpfung des Klimawandels ist, sich politisch zu organisieren, um aggressive Klimagesetze zu erlassen, als einen kohlenstoffarmen ETF zu kaufen. Aber nur einer davon half unserem nächsten Quartalsbericht und stand somit im Mittelpunkt unserer massiven Verkaufs- und Marketingaktionen, um die langweiligen Experten und ihre wiederholten Warnungen zu übertönen", erklärt er rückblickend. "Das ist nur das Spiel", fasst er die ESG-Bemühungen von Finanzdienstleistern wie BlackRock zusammen.
Kritische Stimmen mehren sich
Tariq Fancy ist mit seiner kritischen Einschätzung von ESG-Anlagen nicht allein. Zuvor hatte etwa auch Kolumnist Jared Dillian in einem Beitrag für "Bloomberg" - ähnlich wie der Ex-BlackRock-Angestellte - die Subjektivität von ESG-Kriterien kritisch unter die Lupe genommen.
Und auch Sheila Patel, von Goldman Sachs Asset Management hatte sich vor einiger Zeit gegenüber CNBC in Kritik geübt. "Wenn man über die Zusammensetzung von ESG-Fonds nachdenkt, ist es zunächst wichtig, sich daran zu erinnern, dass sie immer noch als Fonds angelegt sind, um eine Rendite für das Portfolio zu erzielen", so die Expertin. Dies könne dann ein wichtiges Thema werden, wenn es darum gehe, den Klimawandel und Regierungspläne für Kohlenstoffneutralität in den kommenden Dekaden anzugehen.
"Was wäre, wenn meine Tätigkeit bei BlackRock der Gesellschaft aktiv geschadet hätte, indem die Öffentlichkeit in die Irre geführt und überfällige Regierungsreformen verzögert wurden", fragt Fancy in seinem Essay rückblickend selbstkritisch.
Redaktion finanzen.at
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