25.04.2022 16:51:44

Kabinett beschließt schärfere Instrumente bei drohender Energiekrise

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Das Bundeskabinett hat wegen des Ukraine-Kriegs zusätzliche Handlungsmöglichkeiten beschlossen, um die Energieversorgung bei einer weiteren Zuspitzung auf den Energiemärkten sicherzustellen. Die nun beschlossene Novelle des Energiesicherungsgesetztes aus dem Jahr 1975 sieht die Möglichkeiten der staatlichen Treuhandverwaltung von Unternehmen der kritischen Energieinfrastruktur und im klar definierten Extremfall ihre Enteignung vor. Außerdem soll mit dem Gesetz die europäische Solidarität gestärkt sowie eine digitale Plattform geschaffen werden, die eine bessere Steuerung der Gasreduktion bei Unternehmen erlauben soll.

Das Energiesicherungsgesetz stammt ursprünglich aus Zeiten der ersten Ölkrise in den 1970er Jahren. Mit der Aktualisierung des Gesetzeswerks will die Bundesregierung erreichen, dass sie auch in der aktuellen Lage schnell und umfassend handlungsfähig ist.

"Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat zu einer angespannten Energiesituation geführt. Die Preise sind hoch, die Unsicherheit groß, Risiken vorhanden. Wir müssen uns daher darauf vorbereiten, dass sich die Lage zuspitzt", erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Mit den verschärften Instrumenten könne die Regierung die Krisenvorsorge stärken und schnell und umfassend handeln. "Es geht darum, alles zu tun, um die grundlegende Versorgung aufrechtzuerhalten. Dies tun wir in europäischer Solidarität und stärken auch dafür unsere Möglichkeiten", so Habeck.

Enteignung als Ultima Ratio

Der Gesetzentwurf, der nun dem Bundestag zugeleitet wird, sieht Verordnungsermächtigungen vor. Demnach können Bund und Behörden bei einer unmittelbaren Gefährdung oder Störung der Energieversorgung weitreichende Handlungsmöglichkeiten zur Krisenbewältigung an die Hand bekommen und dann im Wege von Verordnungen nutzen.

Demnach ist vorgesehen, dass diese Maßnahmen der Krisenvorsorge bei bestimmten und klar definierten Voraussetzungen "schon vor Eintritt einer unmittelbaren Gefährdung oder Störung der Energieversorgung" angewendet werden können.

Dazu gehören laut Wirtschaftsministerium, dass Unternehmen, die kritische Energieinfrastrukturen betreiben, bei Bedarf unter eine Treuhandverwaltung gestellt werden können. Dies soll für den Fall möglich sein, "wenn sie ihren Aufgaben nicht mehr hinreichend nachkommen und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht", wie das Ministerium erklärte. Als Ultima Ratio ist unter klar benannten und engen Bedingungen auch eine Enteignung möglich, wenn die Sicherung der Energieversorgung nicht anders gewährleistet werden könne.

Außerdem wird eine Regelung zur Preisanpassung entlang der gesamten Lieferkette für den Fall aufgenommen, dass Gaslieferungen aus einem Drittstaat nach Deutschland ausbleiben oder drastisch gekürzt werden. "Voraussetzung ist die Feststellung erheblich verminderter Gasimporte in der Alarm- oder Notfallstufe gemäß Notfallplan Gas", so das Ministerium.

Zudem werden Regelungen zur Stärkung europäischer Solidaritätsmechanismen eingeführt, mit denen die Mitgliedstaaten einander unter die Arme greifen sollen, wenn es zu Energieengpässen kommt. Laut dem jüngsten Lagebericht der Bundesnetzagentur ist die Gasversorgung in Deutschland stabil und keine Beeinträchtigung der Gaslieferungen ist zu beobachten.

Die Novelle enthält zudem Änderungen und Folgeänderungen im Energiewirtschaftsgesetz. Diese sehen vor, dass künftig eine Stilllegung von Gasspeicheranlagen angezeigt und von der Bundesnetzagentur genehmigt werden muss. Außerdem werden die Voraussetzungen geschaffen, um bei kritischen Energieinfrastrukturen den Einsatz kritischer Komponenten nach dem BSI-Gesetz untersagen zu können, so das Ministerium.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/smh

(END) Dow Jones Newswires

April 25, 2022 10:52 ET (14:52 GMT)

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