10.07.2016 17:41:39
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Industrie warnt vor Hängepartien in Parlamenten bei Ceta und TTIP
BERLIN (dpa-AFX) - Im Streit um die geplanten EU-Handelsabkommen mit Kanada und den USA, Ceta und TTIP, warnt die deutsche Industrie vor Hängepartien in nationalen Parlamenten. EU-Digitalkommissar Günther Oettinger (CDU) zog scharfe Kritik mit seiner Warnung vor einer "Pervertierung" des Demokratiegebots auf sich, wenn Ceta von nationalen und teils regionalen Parlamenten abgesegnet werden müsste. An diesem Montag startet die 14. Verhandlungsrunde zu TTIP. Bis Freitag stehen Energie und der Handel mit Rohstoffen auf der Agenda der EU mit den USA.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) dringt auf weitreichende Fortschritte bei dieser TTIP-Runde und einen entschlossenen Einsatz für eine gemeinsame Handelspolitik insgesamt. BDI-Präsident Ulrich Grillo mahnte: "Kein Kompetenzgerangel und keine jahrelangen Hängepartien in nationalen Parlamenten." Sonst drohe nach dem Brexit-Schock der nächste schwere Rückschlag. Die Bundesregierung müsse sich leidenschaftlich für TTIP und Ceta einsetzen.
Das bereits ausgehandelte, aber noch nicht beschlossene Ceta-Abkommen gilt als Blaupause für das ebenfalls geplante und umstrittene Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP). Das Aktionsbündnis "TTIP & CETA stoppen!" plant für den 17. September Demonstrationen gegen die Abkommen.
"Der Rat der Europäischen Union muss sich zügig mit Ceta befassen, damit das Abkommen auf dem EU-Kanada-Gipfel im Oktober unterschriftsreif ist", forderte Grillo. Der Rat müsse eine vorläufige Anwendung von Bereichen beschließen, die in die alleinige Kompetenz der EU fallen.
Der Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, warnte hingegen vor einer vorläufigen Anwendung von Teilen des Abkommens durch die EU-Kommission, ohne dass die nationalen Parlamente abgestimmt haben. "Bundestag und Bundesrat müssen über Ceta entscheiden", forderte Bsirske. Eine bloß symbolische Debatte würde das Ansehen europäischer Entscheidungen massiv beschädigen. Bereits das britische Votum für einen EU-Austritt habe tiefen Frust offenbart.
Oettinger wandte sich gegen Ceta-Abstimmungen in den Parlamenten. "Wenn jetzt ein einziges regionales Parlament, das vielleicht drei oder fünf Millionen Menschen vertritt - und damit gerade mal ein Prozent der EU-Bevölkerung - Nein sagt, ist Ceta gescheitert", warnte Oettinger in der "Passauer Neuen Presse" (Samstag).
Der Bundesvize des CDU-Sozialflügels (CDA), Christian Bäumler, entgegnete im "Handelsblatt", Handelsabkommen mit Eingriffen in die Kompetenzen von Bund, Ländern und Gemeinden seien national zustimmungspflichtig. Die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sagte: "Die Äußerungen von EU-Kommissar Oettinger sind im Ton und in der Sache ein schlimmer Fehlgriff." Es fehle ihm an Respekt gegenüber nationalen Parlamenten und Bevölkerung.
Die EU-Kommission hatte eine Ratifizierung durch die nationalen Parlamente zunächst für nicht notwendig erachtet. Vielmehr würde das grüne Licht der nationalen Regierungen im EU-Rat sowie des EU-Parlaments ausreichen. Auf Druck von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und anderen nationalen Regierungen wird das von Brüssel fertig ausgehandelte Abkommen jetzt aber auch den nationalen Volksvertretern vorgelegt - in Belgien müssen sogar die Regionalparlamente zustimmen./bw/DP/he
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