08.06.2014 06:30:30
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Ifo-Präsident Sinn greift EZB-Politik an - Zeitung
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hat sich der vor allem aus Deutschland kommenden Kritik an der EZB-Politik angeschlossen. "Die EZB-Politik hält Unternehmen in den Krisenländern am Leben, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind und nur noch als Kapitalvernichtungsmaschinen dahin vegetieren", sagte er der Welt am Sonntag. Das Geld der Sparer sollte eigentlich dorthin geleitet werden, wo es echte Renditen liefere und dauerhafte Arbeitsplätze schaffe. Bestenfalls könnte die EZB den Ländern Zeit kaufen.
"Kurzfristig mag die Politik der EZB den Volkswirtschaften in den Krisenländern helfen, langfristig ist sie aber verhängnisvoll", sagte der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung. "Das ist, als würde ein Kranker Schmerzmittel schlucken und weitermachen, anstatt sich auszukurieren."
Die EZB hatte am Donnerstag den Leitzins auf die historisch niedrige Marke von 0,15 Prozent gesenkt. Zudem legte die Notenbank erstmals einen negativen Zinssatz für bei ihr geparktes Geld fest.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, schätzt die Wirkung der Zinssenkung der EZB als gering ein: "Die Zinssenkung ist eher symbolisch, sie wird nicht viel bringen", sagte er der Zeitung. Die Banken würden durch den Negativzins nicht mehr Kredite vergeben, sondern diesen höchstens als Kosten an ihre Kunden weitergeben.
Der EZB-Rat hatte neben der Leitzins-Entscheidung auch beschlossen, bis zu 400 Milliarden Euro an Notenbank-Krediten an Geschäftsbanken auszugeben, wenn diese das Geld als Darlehen an Unternehmen weitergeben. Laut Fratzscher ist dies zwar ein cleveres Mittel, um die Kreditvergabe zu erhöhen. Er befürchtet jedoch, dass Banken versuchen könnten, dies zu umgehen.
"Insgesamt liegt zu viel Hoffnung auf der EZB, wirklich ausschlaggebend wird aber der Stresstest der Banken im Herbst sein. Der muss glaubwürdig sein, damit die Kapitalbasis der Banken deutlich gestärkt wird und wir nicht noch ein stärkeres Problem mit Zombie-Banken bekommen, wie dies in Japan in den 1990er Jahren der Fall war", sagte Fratzscher. Mit Zombie-Banken meint er Institute, die so hoch verschuldet sind, dass sie sich mit der billigen Liquidität nur Staatsanleihen kaufen, weil sie nicht in der Lage sind, Kredite zu vergeben.
Für den Wirtschaftsweisen Christoph Schmidt birgt die Niedrigzinspolitik zudem noch ganz andere Gefahren. "Die dauerhafte Niedrigzinspolitik gefährdet die Stabilität der Finanzmärkte, weil sich an den Vermögensmärkten Blasen bilden können", sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, wiederholte seine bereits zuvor geäußerte Kritik: "Wir haben die große Sorge, dass dieser Kurs der EZB die Sparer weiter verunsichert. Hier findet eine schleichende Vernichtung von Vermögenswerten statt." Das sieht ING-Diba-Vorstand Roland Boekhout deutlich gelassener: "Die Deutschen sind seit der Krise nicht mehr so zinsempfindlich. Sie jagen nicht mehr den besten Konditionen nach. Sie wollen das Risiko von Aktien nicht hinnehmen", sagte er der Welt am Sonntag.
DJG/gos
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June 07, 2014 20:00 ET (00:00 GMT)
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