26.12.2012 15:32:37
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Hotelgäste als Geldgeber - die 'Rheinfels-Aktie' aus St. Goar
Es ist die Geschichte eines alternativen Finanzierungsmodells, das in der heiß umkämpften Hotelbranche seinesgleichen sucht.
Ripp arbeitet schon seit Jahrzehnten im Hotel Schloss Rheinfels, 2013 wird der 55-jährige gebürtige Kerpener sein Dreißigjähriges feiern. Rückblick: Als er anfing, hatte das Haus gerade mal 24 Zimmer, beschäftigte zwölf Mitarbeiter und war fünf Monate im Jahr geschlossen. Gepachtet hatte es damals ein Feinkosthersteller aus Niedersachsen, Ripp kam 1983 und wurde angestellter Geschäftsführer.
Dann veränderte ein Generationswechsel bei dem Feinkostunternehmen alles. "Man hatte keine Lust mehr auf Hotellerie", sagt Ripp. Damals wurde ein Käufer gesucht, mehrere Hotelketten zeigten Interesse, am Ende bekam Ripp unverhofft den Zuschlag. "Ich hatte erst keinen Gedanken daran, zu kaufen", sagt er rückblickend. Doch es reizte ihn,
sein eigener Herr in dem trutzigen Gemäuer über dem Strom zu werden. "Das war mein Baby." Schließlich erwarb er das Erbpachtrecht für das Hotel und einige Grundstücke nebendran.
Das Problem: Ihm fehlte Geld. Auf der Suche danach ging Ripp bei zahlreichen Banken in Frankfurt ein und aus - vergeblich. "Die haben mich ausgelacht." Erst eine Kreissparkasse aus dem Hunsrück habe ihm schließlich einen Kredit gewährt. Es ging um sechs Millionen Euro, sagt Ripp. Das seien die von Architekten veranschlagten Kosten für mehrere Um- und Anbauten gewesen. Da aber Bauvorhaben in der Regel am Ende zehn bis 15 Prozent teurer würden als geplant, habe er weitere 500 000 bis 600 000 Euro benötigt - ohne die Hilfe einer Bank.
"Da kam mir die Idee mit der "Rheinfels-Aktie"." 2003 schrieb er 140 Stammgäste an und stellte seinen Plan vor. Die Mindesteinlage für Inhaber dieser Genussscheine lag bei 5000 Euro, das Maximum bei 50 000 Euro, festgelegt für 2,5 bis 4,8 Prozent Zinsen, je nach Laufzeit und Summe. "So billig hätte ich das Geld von einer Bank nie bekommen", sagt Ripp mit Blick auf die damals höheren Zinsen.
Im Gegenzug bekamen "Aktionäre" eine gerahmte "Rheinfels-Aktie", eine goldene Nadel und wurden in den Diamond-Club aufgenommen. Dessen Mitglieder genießen im Hotel Vorzüge - etwa Zimmerrabatte, Nachlässe auf Essen oder eine Freifahrt mit dem Burg-Express. "Wie das Wort Genussschein schon sagt: Man kann etwas abessen oder abwohnen", sagt Ripp. Das Resultat: Binnen zweieinhalb Jahren hatte er 50 Teilhaber aus ganz Deutschland und einen Betrag von 780 000 Euro zusammen. "Da habe ich es dann gedeckelt, ich muss es ja irgendwann zurückzahlen."
"Ein cleveres Modell, das ist aller Ehren wert", findet der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Rheinland-Pfalz, Gereon Haumann. Ripps Aktion sei in eine Phase gefallen, als es für Hotel- und Gaststättenbetriebe durchaus schwierig gewesen sei, an Kredite zu kommen. Inzwischen habe sich das aber glücklicherweise geändert, vor allem dank des 2010 eingeführten reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen.
2009 hätten Hotelbesitzer und Gastronomen in Rheinland-Pfalz nur knapp 20 Millionen Euro investiert, sagt Haumann. 2011 - also nach Einführung des verringerten Mehrwertsteuersatzes - habe sich dies auf 40 Millionen Euro verdoppelt. Die derzeit niedrigen Zinsen trügen ihr Übriges dazu bei, dass es nun leichter sei, Investitionen zu stemmen.
Ripp brauchte das Geld früher, für ihn wäre der geringere Mehrwertsteuersatz zu spät gekommen. Und so schaffte er es mit seinem eigenen Modell, das Hotel in der ehemaligen Vorburg der eigentlichen Burg Rheinfels auf 65 Zimmer zu erweitern. Es entstanden unter anderem ein Tagungszentrum und eine Wellnessanlage mit Rheinblick. Der Jahresumsatz liegt bei nunmehr rund fünf Millionen Euro, Ende kommenden Jahres will er mit der Tilgung beginnen.
Seine "Rheinfels-Aktie" stößt trotz verbesserter Rahmenbedingungen nach wie vor auf großes Interesse in der Branche. "Ich halte Vorträge unter Kollegen", sagt er. Damals sei er der erste in Deutschland mit solchen Genussscheinen gewesen, nun machten das auch andere. "Aber jeder auf seine Art." Grundvoraussetzung sei, dass die Stammgäste eine persönliche Verbundenheit zu dem Hotel und dem Besitzer hätten, sonst funktioniere es nicht. "Es ist etwas Emotionales."/chs/DP/he
--- Von Christian Schultz, dpa ---
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