06.03.2008 15:42:00
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HINTERGRUND: Technische Analysten erwarten bei Aktien positive Überraschungen
RAUHES ERSTES HALBJAHR, POSITIVES ZWEITES
Aktuell ist die Psyche der Anleger angegriffen. "Die Anlegermentalität hat sich verändert - Aktien werden bei Rückschlägen nicht mehr gekauft, sondern bei Erholungen verkauft", sagt Jörg Scherer, Technischer Analyst bei HSBC Trinkaus. Die langjährigen Aufwärtstrends seien Geschichte. Auch die "Relative Stärke" der internationalen Aktienindizes lasse die Börsenampeln auf Rot stehen. Dieser Indikator setzt Auf- und Abwärtsbewegungen von Indizes über die Zeit in Relation. Anleger müssen daher mit einem Test des Januar-Tiefs bei 6.384 Punkten im Dax rechnen. Darunter bestehe Risiko bis auf 6.200 Zähler abzurutschen.
Optimismus für das zweite Halbjahr zieht Scherer dennoch aus zyklischen Überlegungen: Die Zyklik lege für 2008 ein verhaltenes Auftaktquartal nahe, während das zweite Halbjahr Überraschungspotenzial biete. Dann greift dem Analysten zufolge die alte Börsenweißheit "US-Wahljahre sind Börsenjahre". Auch der Demographie- und Konsumzyklus gebe Aktien Rückenwind bis zum Ende des Jahrzehnts. Entwarnung gebe der DAX aber erst mit einem Anstieg über die technisch besonders wichtige Marke von 7.190 Punkten.
Thomas Nagel von Equinet stellt die verlorengegangene "Relative Stärke" von Europas Börsen im Vergleich zu den USA als aktuelle Belastung heraus. "Anleger müssen abwarten, bis dieser Abwärtsdruck abgebaut ist." Positiv wertet der technische Analyst aber, dass die wichtige Unterstützung bei 6.300 bis 6.500 Punkten im DAX während der scharfen Korrektur Ende Januar - die aus Sicht aller Experten charttechnisch einigen Schaden anrichtete - gehalten hat. Würden diese Niveaus unterschritten, taxiert Nagel das maximale Rückschlagspotenzial auf 5.500 bis 5.700 Punkte, auch wenn dieses aus seiner Sicht nicht ausgeschöpft werden würden. Nachdem sich diese "Relative Stärke" zuletzt schlagartig verschlechtert hat, rechnet Nagel im Jahresverlauf mit einer Gegenbewegung, die dem DAX neue Kraft geben wird.
Der Technische Analyst Holger Galuschke fürchtet für den europäischen Markt eine negativeres Szenario: "Der EuroSTOXX50 hat seinen viereinhalbjährigen Aufwärtstrend im Oktober beendet." Im stark verschlechterten technischen Umfeld sei die Wahrscheinlichkeit eines Abwärtsszenarios gestiegen und die Luft nach oben begrenzt. Galuschke sieht massiven Widerstand für den EuroSTOXX50 bei 3.892 Punkten und wäre von einem Rückschlag des europäischen Leitindex auf 2.560 Zähler – dem Tief vom August 2004 - nicht überrascht.
ZYKLIK UND SAISONALE MUSTER POSITIV
Hoffnung für das zweite Halbjahr machen wie von Scherer angesprochen die saisonalen Muster der Aktienmärkte in Jahren der US-Präsidentschaftswahl. Die Saisonalität untersucht jahreszeitlich bedingte Verläufe. "Das Vorwahljahr- und das Wahljahr verlaufen typischerweise positiv an den Aktienmärkten", betont Dimitri Speck von SeasonalCharts. Stimulierende Maßnahmen werden vor der Wahl getätigt und unpopuläre erst hinterher - das stützt die Börse. Wahljahre selbst zeigen typischerweise einen schwachen Start und einen deutlichen Anstieg in der zweiten Jahreshälfte. Das stimme für 2008 positiv.
Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest sagt: "Das Tief an den Aktienmärkten im Januar war sehr signifikant und bietet entsprechend gute Unterstützung." Der Experte erwartet zwar auf Sicht der kommenden Jahre eine längere Durststrecke an den Aktienmärkten, die sich langfristig tendenziell seitwärts bis leicht abwärts bewegen sollten. Für den weiteren Jahresverlauf 2008 ist aber auch Rethfeld nicht skeptisch. Er rechnet bereits im zweiten Quartal mit einer vorgezogenen Erholung der internationalen Börsen, da Investoren schon vor dem erwarteten Anstieg im Jahresverlauf kaufen.
Fondsmanager Dietrich Denkhaus zieht seine Prognose aus der Elliot-Wellen-Analyse, die sich wiederholende Wellenmuster in Kursverläufen untersucht. Denkhaus sieht die Börsen aktuell in ihrer letzten Aufwärtswelle, innerhalb der sie aktuell eine Korrektur durchlaufen. Auch aus dieser Sicht ist im zweiten Halbjahr eine Erholung zu erwarten. Wegen des technisch angeschlagenen Kursbildes dürfte diese aber nicht mehr so stark ausfallen und die Indizes werden es schwer haben, ein neues Hoch zu markieren. Die größten Chancen räumt Denkhaus der japanischen Börse ein, wo er Ende April ein Kaufsignal erwartet./fat/sk/wiz
--- Frederik Altmann, dpa-AFX ---
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