24.08.2016 16:56:49
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Haushaltsüberschuss weckt Begehrlichkeiten nach Steuersenkungen
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die hohen Überschüsse des staatlichen Budgets zur Jahresmitte haben eine Debatte über die Verwendung der zusätzlichen Mittel entfacht und Begehrlichkeiten ausgelöst. Doch das Finanzministerium warnt, die neuen Zahlen erlauben noch keinen Rückschluss auf das Gesamtjahr, denn viele Belastungen seien darin noch gar nicht enthalten.
Wie das Statistische Bundesamt bekanntgab, hat Deutschland im ersten Halbjahr einen Finanzierungsüberschuss von 18,5 Milliarden Euro erzielt, das waren 1,2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Damit ist die Finanzlage weitaus besser als nach den Maastricht-Kriterien erforderlich. Deutschland ist neben Luxemburg und Estland eines der wenigen EU-Länder mit einer positiven Quote. Rund die Hälfte des Überschusses entfiel mit 9,7 Milliarden Euro auf den Bund.
Aus der CSU wurden angesichts des Haushaltsüberschusses steuerliche Entlastungen der Mittelschicht im Umfang von jährlich 12,5 Milliarden Euro ab 2018 gefordert. "Klar ist, dass wir den Leistungsträgern Überschüsse durch Steuerentlastungen zurückgeben müssen und wollen", sagte CSU-Mittelstandspolitiker Hans Michelbach der Rheinischen Post. "Für Steuerentlastungen im Umfang von 0,5 Prozentpunkten des Bruttoinlandsprodukts oder 12,5 Milliarden Euro pro Jahr ist der Spielraum da." Zusätzlich müsse aber auch der Mietwohnungsbau wie geplant steuerlich gefördert werden.
FDP-Präsidiumsmitglied Volker Wissing nahm den Überschuss zum Anlass für Kritik an der Koalition. "Der gigantische Überschuss der öffentlichen Haushalte ist ein deutlicher Beleg für die Überbelastung der Bürgerinnen und Bürger mit Steuern und Abgaben", sagte er. Die Bürgerinnen und Bürger würden dem Überschuss zum Trotz "weiter mit Höchststeuern und -abgaben zur Kasse gebeten", obwohl eine Entlastung geboten sei. "Eine Entlastung für diejenigen, die das Steueraufkommen in unserem Land erwirtschaften, ist überfällig und eine Frage der Gerechtigkeit."
Finanzministerium will vorsichtig bleiben Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, forderte die sofortige Streichung des Solidaritätszuschlages. "Betriebe und Bürger müssen jetzt am Erfolg der deutschen Volkswirtschaft beteiligt werden", verlangte er. Der Staat solle deshalb "jeden zweiten zusätzlich eingenommenen Steuereuro an die Steuerzahler zurückgeben". Zunächst müsse der Solidaritätszuschlag ersatzlos gestrichen werden.
Das Finanzministerium zeigte sich jedoch zurückhaltend. "Wir sehen diese Zahlen als Ausweis einer soliden Haushaltspolitik", sagte ein Sprecher. Aus dem Halbjahresergebnis könne aber "nicht einfach auf das Ganzjahresergebnis geschlossen" werden. "Wir müssen da wirklich vorsichtig bleiben." So zeichneten sich bereits weitere Belastungen ab, die noch nicht im Budget berücksichtigt seien. So schlügen fast 630 Millionen Euro an Finanzmitteln aus der Syrien-Geberkonferenz für die Flüchtlingshilfe zu Buche, 400 Millionen Euro für die zwischen Bund und Ländern vereinbarte Übernahme der Kosten für Unterkunft, 2 Milliarden für die Integrationspauschale und mindestens 1 Milliarde Euro für das Vorziehen der Spitzabrechnung der tatsächlichen Kosten der Erstunterbringung von Flüchtlingen. Zusammen ergibt sich daraus eine Belastung von 4 Milliarden Euro für Finanzminister Wolfgang Schäubles (CDU) Kassen.
Finanzpolitiker der Großen Koalition lehnten Steuerentlastungen ebenfalls ab. "Die aktuellen Haushaltsüberschüsse sind erfreulich, aber kein Grund für neue Begehrlichkeiten", sagte Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) dem Handelsblatt. Auch er verwies auf höhere Ausgaben für den Bereich Integration, aber auch für die innere und äußere Sicherheit oder die soziale Sicherung. "Spielräume für zusätzliche Ausgabewünsche bestehen daher nicht." Der Chefhaushälter der SPD-Fraktion, Johannes Kahrs, sagte dem Blatt, die Frage von Steuerentlastungen könne "man seriöserweise erst Ende des Jahres diskutieren, wenn man weiß, was bei den Überschüssen Einmaleffekte sind".
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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