06.12.2020 16:00:38

GESAMT-ROUNDUP: Entscheidende Woche für Sachsen-Anhalts Koalition

MAGDEBURG/BERLIN (dpa-AFX) - Zerbricht Sachsen-Anhalts schwarz-rot-grüne Koalition oder können die tiefen Gräben wieder einmal überwunden werden? Das über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zerstrittene erste Kenia-Bündnis Deutschlands steht vor einer entscheidenden Woche. Auch auf Bundesebene drängen einerseits SPD und Grüne und andererseits die CDU das jeweilige Gegenüber, sich in der Koalition in Magdeburg zu bewegen. CSU-Chef Markus Söder hält den Kurs der Schwesterpartei dort für falsch.

Am Montag und Dienstag stehen in Magdeburg Fraktions- und Koalitionstreffen an. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) will bei den Koalitionspartnern für eine Einigung werben. Am Mittwoch steht eine wichtige Vorentscheidung an, wenn der Medienausschuss des Landtags darüber abstimmt, welches Votum er für die Abstimmung im Plenum eine Woche später empfiehlt. Knackpunkt ist der Umgang mit der AfD, die wie die CDU die von den Landesregierungen bereits ausgehandelte Erhöhung des Rundfunkbeitrags ablehnt. Beide Parteien zusammen hätten eine Mehrheit.

Die Vorsitzende der Länder-Rundfunkkommission, Malu Dreyer, warnte vor einem gemeinsamen Veto von CDU und AfD gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags. "Darüber sind wir in der Länder-Familie sehr einig, wenn CDU und AfD den Medienstaatsvertrag verhindern würden, wäre das ein politischer Dammbruch", sagte Dreyer (SPD), die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz ist, der Deutschen Presse-Agentur.

Wenn Sachsen-Anhalt dem umstrittenen Staatsvertrag und damit der Beitragserhöhung um 86 Cent auf 18,36 Euro nicht zustimmt, ist er insgesamt gekippt. Alle Länder müssen bis Jahresende zustimmen. Blockiert Sachsen-Anhalt wird erwartet, dass Sender das Bundesverfassungsgericht anrufen, um die von unabhängiger Seite errechnete Anpassung einzuklagen.

Haseloff will unbedingt vermeiden, dass seine CDU allein mit der AfD abstimmt. Und er will die Koalition auch vor dem Hintergrund der schwierigen Corona-Krise unbedingt retten und lehnt Minderheitsregierungen seit Jahren ebenso rigoros ab wie eine Abhängigkeit von Stimmen der AfD. Andererseits wollen die Christdemokraten unbedingt verhindern, im anlaufenden Wahlkampf als Umfaller in letzter Minute dazustehen.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und auch Generalsekretär Paul Ziemiak hatten SPD und Grüne in die Pflicht genommen. Haseloff habe Vorschläge für den Erhalt der politischen Stabilität gemacht, Kramp-Karrenbauer der dpa gesagt. "Die Entscheidung liegt jetzt insbesondere bei SPD und Grünen, die sich ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst werden müssen." Ziemiak sagte der "Magdeburger Volksstimme": "In den letzten Tagen haben manche bewusst versucht, die CDU-Landtagsfraktion in die Ecke der AfD zu schieben, nur weil sie am Koalitionsvertrag festhält. Das weise ich entschieden zurück! Für die CDU gilt ganz klar, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD gibt."

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck sagte: "Die CDU-Führung in Person von Frau Kramp-Karrenbauer fordert implizit Grüne und SPD auf, den Rundfunkstaatsvertrag zu kippen", sagte er ntv.de. Und mit Blick auf die einhellige Billigung durch die Landesregierungschefs: "Damit fällt sie ihren eigenen Ministerpräsidenten in den Rücken", die das Vorhaben mitgetragen hatten.

Auch Söder als Chef der Schwesterpartei CSU drängte die Union in Sachsen-Anhalt zum Einlenken. "Wegen 86 Cent der AfD diese Bühne zu verschaffen, halte ich für eine politische Fehlentscheidung", sagte Bayerns Ministerpräsident in München. Gerade in Ostdeutschland dürfe man nicht unter den Verdacht kommen, von der AfD abhängig zu sein. Die AfD stehe kurz vor einer Spaltung. "Es gehört zu politischer Klugheit und zur weitsichtigen Strategie, dass man diesen Prozess nicht aufhält." Aus bayerischer Sicht seien Nachverhandlungen über den Rundfunkbeitrag auch ausgeschlossen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther kritisierte ebenfalls die mögliche Blockade in Sachsen-Anhalt. Dass sich die dortige CDU-Fraktion ein Zusammenwirken mit der AfD vorstellen könne, mache "das Ganze noch schlimmer", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Wochenende).

Günther positionierte sich damit gegen den CDU-Vorsitzbewerber Friedrich Merz, der gesagt hatte, in Corona-Zeiten könne man die Beitragserhöhung kritisch sehen. Zugleich hatte Merz geraten, die Beitragsdiskussion von der Debatte zum Umgang mit der AfD zu entkoppeln. Es sei unwichtig, welche Meinung die AfD dazu habe.

In eine ähnliche Richtung argumentierte der CDU-Vorsitzkandidat Norbert Röttgen im Berliner "Tagesspiegel" (Montag): "Was die anderen Parteien wann beantragen, kann für uns nicht entscheidend sein. Und die demokratischen Parteien sollten einen Konsens herstellen, dass der AfD in keiner parlamentarischen Frage eine bestimmende Rolle zuwachsen darf."

Auf der To-do-Liste von Sachsen-Anhalts CDU stehen nach dem Abgang von Holger Stahlknecht als Innenminister und Parteichef auch personelle Fragen. Beide Nachfolgefragen sind ungeklärt. Die Landes-CDU werde ihre Spitze nicht sofort neu aufstellen, hatte Generalsekretär Sven Schulze der Deutschen Presse-Agentur am Samstag gesagt. Am Freitag war ein Interview bekanntgeworden, in dem Stahlknecht von der Möglichkeit einer Minderheitsregierung gesprochen hatte. Ministerpräsident Haseloff hatte ihn daraufhin entlassen, am Abend kündigte Stahlknecht auch seinen Rückzug als CDU-Chef an./dh/DP/mis

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