29.08.2022 16:12:40
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EZB-Chefvolkswirt Lane plädiert für möglichst stetige Zinserhöhungen
Von Hans Bentzien
BARCELONA (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte ihre Zinsen nach Aussage von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane in einem möglichst gleichmäßigen Tempo in Richtung des angestrebten Niveaus anheben. Bei der Jahrestagung der Central Bank Research Association in Barcelona sagte Lane laut veröffentlichtem Redetext: "Man muss sich klarmachen, dass die mittleren und längeren Segmente der Renditekurve, die für die Finanzierungsbedingungen in der Wirtschaft am wichtigsten sind, viel stärker auf den erwarteten Zielsatz (terminal rate) reagieren als auf den genauen Zeitplan für die Annäherung an diesen Satz. Ein gleichmäßiges Tempo - weder zu langsam noch zu schnell - bei der Annäherung an den angestrebten Zins ist aus mehreren Gründen wichtig."
Folgende Punkte werden nach Aussage des EZB-Chefvolkswirts für die EZB wichtig sein, wenn sie wie geplant von Meeting zu Meeting über ihre Geldpolitik entscheidet:
1. Das Finanzsystem sollte die Möglichkeit haben, Zinsänderungen schrittweise zu verarbeiten. Eine bestimmte kumulierte Zinserhöhung in kleinen Schritten ist Lane zufolge besser für die Finanzstabilität als eine kleine Serie großer Zinserhöhungen. "Bei der Kalibrierung einer mehrstufigen Serie wird die angemessene Größe der einzelnen Schritte natürlich umso größer sein, je größer der Abstand zum Zielzins und je stärker die Risiken für das Inflationsziel sind", versicherte er.
2. Ein mehrstufiger Zinsanpassungspfad ist Lane zufolge auch wegen der hohen Unsicherheit bezüglich Inflationsdynamik und geldpolitische Transmission ratsam. So seien auch zwischenzeitliche Korrekturen des geldpolitischen Kurses leichter vorzunehmen. Anlass könnten neue Schocks, eine Straffung der Finanzkonditionen durch geldpolitische Einflüsse aus anderen Wirtschaftsräumen oder eine veränderte Risikowahrnehmung an den globalen Finanzmärkten sein. Selbst im aktuellen Umfeld müsse die EZB Größe und Geschwindigkeit der Zinserhöhungen flexibel anpassen können.
3. Die langfristigen Inflationserwartungen sind nach Lanes Aussage "im Großen und Ganzen nahe 2 Prozent verankert". Zudem kommt in Umfragen Sorge wegen einer möglichen Konjunkturabkühlung zum Ausdruck, die die Inflation bremsen würde. Dieses Ergebnis spricht Lane zufolge dafür, dass Experten und Haushalte verstehen, dass die aktuell hohe Inflation von Angebotsfaktoren ausgelöst wird, die mit der Zeit schwinden werden und dass auch die bereits ergriffenen geldpolitischen Maßnahmen in diese Richtung wirken.
4. Der EZB-Chefvolkswirt sprach sich dagegen aus, die Höhe des Zielzinses zu kommunizieren. "Die Kommunikation des wahrscheinlichsten Pfads künftiger Zinserhöhungen könnte grundsätzlich ein wirksames geldpolitisches Instrument sein, das hat aber den potenziellen Nachteil, dass es die Komplexität der Kommunikation erhöht - insbesondere, wenn es von einer Sitzung zur nächsten wesentliche Änderungen des erwarteten geldpolitischen Pfads gibt", gab Lane zu bedenken.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/smh
(END) Dow Jones Newswires
August 29, 2022 10:13 ET (14:13 GMT)
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