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04.09.2014 20:55:30

Die Straßengebühr für alle ist nicht vom Tisch

   Von Stefan Lange

   Im April forderte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig die Einführung einer Straßennutzungsgebühr, um aus Schlagloch-Pisten wieder flotte Straßen zu machen. Der SPD-Politiker wurde damals quer durch alle Parteien verbal ziemlich verprügelt.

   Mittlerweile gesteht auch die Bundesregierung ein, dass der Staat den Investitionstau alleine nicht mehr bewältigen kann. Privatunternehmen sollen das Geld geben, doch die erwarten dafür natürlich eine Rendite. Von einer "Nutzerfinanzierung" ist in diesem Zusammenhang bereits die Rede - das bedeutet nichts anders als zusätzliche Gebühren für den Bürger. Damit könnte Schwarz-Rot die Pkw-Maut eigentlich versenken.

   Noch zögern Union und SPD mit der Bekanntgabe von Details. Doch das Projekt "Investitionen der Privatwirtschaft" ist bereits ziemlich weit gediehen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine externe Expertenkommission ins Leben gerufen, die Ideen sammeln soll. In Meseberg trafen sich die Spitzen von Regierung, Industrieverbänden und Gewerkschaften, um Möglichkeiten auszuloten. Auch das Finanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) sammelt kräftig Ideen, um der Privatwirtschaft die angemessenen Rahmenbedingungen zu schaffen.

   Dabei ist schon jetzt klar, dass es um eine grundlegende Umwälzung geht. Mit einer Reform des bereits praktizierten Public-private-Partnership haben die derzeitigen Überlegungen nichts zu tun, sie gehen weit darüber hinaus, wie Gabriel bereits deutlich machte.

   Nichts geht ohne eine "ordentliche Rendite"

   Es geht bei der ganzen Sache um frisches Geld "vor allem für die öffentliche Infrastruktur, etwa leistungsfähige Verkehrswege und kommunale Infrastruktureinrichtungen", wie Gabriel erklärte. Albigs Idee, dass alle Autofahrer die Sanierung der Straßen mit einer Gebühr finanzieren sollen, lässt sich deshalb als Blaupause auch gut auf die aktuellen Überlegungen übertragen.

   Zwar scheuen sich Politiker bei Schwarz wie bei Rot noch davor, die Sache öffentlich zu Ende zu denken. Aber das Bundeswirtschaftsministerium räumte bereits ein, dass die Anreize, privates Kapital zu mobilisieren, "natürlich in einer ordentlichen Rendite" liegen. Und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach nach einer Klausur des CDU/CSU-Fraktionsvorstandes in Berlin, auf der das Thema der Privatinvestitionen breiten Raum einnahm, von einer "Nutzerfinanzierung".

   Mit anderen Worten: Die Privatwirtschaft erwartet natürlich eine ordentliche Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals. Da Brücken oder Straßen an sich keine Rendite abwerfen, muss das Geld entweder vom Staat kommen, was unwahrscheinlich ist. Oder es kommt vom Bürger, der für Brücke oder Straße eine Gebühr bezahlt.

   Ab diesem Punkt aber hört sich die vermeintlich tolle Idee von einer Finanzierung durch die Privatwirtschaft schon nicht mehr so toll an. Denn es ist völlig ungewiss, wie solche Nutzergebühren in der Bevölkerung ankommen. Die heftige Debatte um die Einführung einer Pkw-Maut jedenfalls hat den Spitzen bei Union und SPD schon einen Vorgeschmack geliefert - und die Pkw-Maut wird unter dem Aspekt diskutiert, dass sie nur von Ausländern finanziert werden soll und deutsche Autofahrer nicht belastet.

   Schäuble: Der Staat allein kann es nicht

   Ohnehin könnte die Pkw-Maut eigentlich auf Eis gelegt werden, denn sie soll den gleichen Zweck erfüllen, wie der private Kapitalfluss: Sie soll in die Sanierung der maroden Straßen fließen. Die Stärkung von Investitionen aus privater Hand ist allerdings als Ziel der Einführung einer Pkw-Maut übergeordnet, weil sie eben nicht nur eine Sanierung der Straßen vorsieht, sondern über Straßen und Brücken darüber hinausgeht.

   Es ist deshalb kein Zufall, dass die Debatte über Privatinvestitionen gerade jetzt kommt, zu einem Zeitpunkt, wo die Maut-Debatte komplett verfahren ist. Verkehrsminister Alexander Dobrindt könnte die Maut-Pläne seiner CSU mit der Begründung fallen lassen, es gebe nun einen viel besseren Plan - den der privaten Investitionen. Dobrindt könnte dabei sein Gesicht wahren, CSU-Chef Horst Seehofer auch, und Kanzlerin Angela Merkel hätte ihren Willen. Denn die CDU-Chefin war ja eigentlich nie für eine Pkw-Maut.

   Allerdings geht bei Schwarz-Rot derzeit noch die Angst um, die Wähler könnten sich durch die Einführung von Nutzergebühren, zum Beispiel für Straßen, verschaukelt fühlen. Schließlich ist ihnen bislang versprochen worden, dass nur Ausländer damit belastet werden sollen.

   Ein Ausweg aus dem Dilemma ist noch nicht absehbar. Aber zusätzliche Belastungen für die Bürger werden sicher kommen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) gab in Berlin Worte von Minister Schäuble wieder. Der warnte demnach, es sei eine Illusion zu glauben, dass der enorme Investitionsbedarf in die Infrastruktur ausschließlich aus Haushaltsmitteln geleistet werden könnte.

   Kontakt zum Autor: stefan.lange@wsj.com

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   September 04, 2014 14:08 ET (18:08 GMT)

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