24.07.2014 19:11:58

DER STANDARD - Kommentar: "Gaza als Vorwand für Hetzer" von Petra Stuiber

Den antiisraelischen Schlägern ist Palästina egal, deren Frust ist Europas Problem. (Ausgabe vom 25.7.2014)

Wien (ots) - Die Fotos, die ein Sportredakteur noch Mittwochnacht aus Bischofshofen twitterte, machten betroffen und sprachlos: Da treten junge Männer, nach eigenem Bekunden "propalästinensisch", auf junge Fußballspieler ein, mit verzerrten Gesichter, voll unkontrolliertem Hass. Der Nahostkonflikt ist wieder einmal in Europa angelangt. Im Pariser Vorort Sarcelles plünderten maskierte Jugendliche koschere Geschäfte, zündeten Autos an und lieferten sich vor zwei Synagogen Straßenschlachten mit der Polizei. In Berlin kam es zu einem Handgemenge, als sich ein älterer Berliner gegen "Israel, Mörder"-Rufe bei einer Demo gegen die Gaza-Offensive Israels wehrte. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz muss angesichts der antisemitischen Ausbrüche auf seiner Homepage die Staatsanwaltschaft bemühen, der Justizminister überlegt eine Präzisierung des Verhetzungsparagrafen - und nun, als trauriger Tiefpunkt, die Vorfälle von Bischofshofen. Hier geht es längst nicht mehr um Gaza; die Leute, die hier zuschlagen, anzünden, kaputtmachen, haben kein politisches Anliegen. Die Kinder, die durch Schutt und Ruinen irren, sind ihnen schnurzegal, diese Leute haben mit niemandem Mitleid. Sie kanalisieren ihre kleinen ganz persönlichen Enttäuschungen, das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein, und den Hass auf alle, die es scheinbar ein bisschen besser getroffen hat. Dazu kommt noch, dass sich dumpfer, plumper Antisemitismus hübsch bemänteln lässt, wenn man
clever, clever - "Israel-Kritik" dazu sagt. Dasselbe gilt übrigens auch umgekehrt: Was da über diverse Internet-Foren als vermeintliche Israel-Verteidigung daherkommt, in Wahrheit aber Ausländerfeindlichkeit, gepaart mit Islamhass ist, hat denselben dumpfen Ursprung. Die Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Carla Amina Baghajati, hat schon recht, wenn sie darauf hinweist, "wie wichtig es wäre, sachlich, rational und fair diskutieren zu können". Dazu müsste aber auch die Glaubensgemeinschaft endlich energisch ihren Beitrag leisten: Warum findet sich niemand, der jungen Leuten in den eigenen Reihen klar sagt, dass radikale Umtriebe aller Art nicht erwünscht sind und nicht toleriert werden? Warum findet Glaubensgemeinschafts-Chef Fuat Sanac, immerhin der Ansprechpartner der österreichischen Regierung in muslimischen Belangen ist, nicht die Worte, um Extremismus jeglicher Art abzulehnen? Schließlich ist er, als Fach?inspektor für islamischen Religionsunterricht, auch in die Pflicht zu nehmen, wenn junge Musliminnen und Muslime kein Gespür dafür entwickeln, was noch sachliche Kritik an der Politik der israelischen Regierung und was schon Antisemitismus ist. Denn auch das gehört zu modernem Religionsunterricht: Verständnis für den anderen lehren, Toleranz
und nicht zuletzt die Einhaltung menschenrechtlicher Grundsätze. Gleichzeitig haben jene (politischen) Eliten, die sich nun über die Vorfälle in Paris, Berlin und Bischofshofen erregen, herzlich wenig getan, um den Frust der Jungen zu bekämpfen. Viele Repräsentanten der Zivilgesellschaft tragen das Thema "Friede in Nahost" wie eine Monstranz vor sich her - aber statt zu kooperieren, ergeht man sich in kleinlichen Scharmützeln gegen den jeweils anderen. So hat die Debatte etwas Scheinheiliges. Das erlaubt Hetzern und Aufwieglern, verblendete junge Leute für ihre gewalttätigen Zwecke zu instrumentalisieren.

Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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