13.10.2013 18:23:58
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"DER STANDARD"-Kommentar: "Es geht nicht nur um Stilfragen" von Conrad Seidl
Wien (ots) - Gute Vorsätze haben sie ja. Wenn sich die Spitzen von
SPÖ und ÖVP am Montag den Segen ihrer Funktionäre für die Aufnahme
von Koalitionsverhandlungen geben lassen, dann wollen sie alles
besser machen als bisher. Weniger streiten. Professioneller
kommunizieren. Projekte fixieren und nach genauen Zeitvorgaben
abarbeiten. Sie werden das "Reformkoalition" nennen und glauben, dass
sie das Wesentliche schon erledigt hätten. Was dann (wohl so um
Weihnachten herum) als Koalitionsvertrag unterschrieben wird, und
erst recht das, was Werner Faymann anschließend als
Regierungserklärung dem Nationalrat vorlegen wird, droht dennoch zu
einer Sammlung von gutgemeinten Absichtserklärungen zu verkommen
vielleicht mit ein bisschen mehr Enthusiasmus vorgetragen. Aber
sonst? Alle Beteiligten und Möchtegernbeteiligten scheinen über die
Stilfragen alle inhaltlichen Ansätze vergessen zu haben. Es geht
nicht darum, das Land "neu zu regieren" - vielmehr geht es darum,
festzulegen, was das Land braucht und wie man das erreichen kann. Das
erfordert radikal andere Ansätze: Wenn man sich darauf verständigt,
dass das Land andere, bessere Schulen braucht, dann tut man gut
daran, das gesamte Schulwesen und alle von den jeweiligen Parteien
für sakrosankt erklärten Modelle infrage zu stellen und das
Schulwesen von Grund auf neu aufzustellen. Mit dem verpflichtenden
Kindergartenjahr gibt es de facto schon eine Vorschule - muss es
danach weiterhin vier Klassen Volksschule und vier Mittelschule
geben? Oder wären vielleicht fünf, sechs, sieben Klassen Grundschule
und anschließend eine Mittelschule und eine viel konzentriertere (und
spezialisiertere) Oberstufe als Studienvorbereitung sinnvoller? Muss
sich eine Diskussion über Verwaltungsreformen wirklich in Details des
Verhältnisses von Bund und Ländern verlieren (und dort regelmäßig
festfahren)? Eine mutige Koalition würde das Verhältnis von Bund und
Ländern völlig neu entwerfen. Sie könnte etwa die gesamte
Gesetzgebung dem Bund vorbehalten, die Landtage auflösen und die
Mitsprache der Regionen in eine direkt gewählte, zum Generallandtag
aufgewertete zweite Parlamentskammer verlegen. Die Landeshauptleute
könnte man im Gegenzug aufwerten, indem man sie direkt an die Spitze
der regionalen Verwaltungseinrichtungen wählen lässt - was den
wahrgenommenen Machtverhältnissen ohnehin näher käme als der Popanz,
der um Landtagswahlen aufgeführt wird. In der Raumplanung und in der
Verkehrspolitik, bei Finanz- und Wirtschaftsfragen, ja selbst im
wegen seiner langfristigen Ausrichtung besonders sensiblen
Sozialsystem könnte man ähnlich radikal neue Modelle konstruieren.
Immer mit der Fragestellung: Muss das, was der Staat tut, wirklich
getan werden? Muss es so getan werden, wie es getan wird? Geht es
besser, geht es billiger? Und: Wie würde man eine Reform angehen,
wenn man eher die gewünschten Ergebnisse als die Trägheit des Systems
und die mehr oder weniger berechtigten Interessen seiner Akteure im
Auge hätte? Natürlich geht das nicht alles gleichzeitig. Aber mit
etwas Fantasie könnten die Verhandler ein paar Leitprojekte
definieren, bei denen sie sich grundlegende Reformen vornehmen und
klare Ziele, die in fünf Jahren erreicht werden können, definieren.
Die Frage ist, ob sie diese Fantasie haben. Und den Mut, sie auch
einzusetzen.
Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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