11.04.2017 22:37:56
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Börsen-Zeitung: Wenig Gespür, Kommentar zu Linde von Joachim Herr
Es ist die zweite Front, an der Belloni und der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Reitzle einen Zusammenschluss zum Branchenprimus durchsetzen wollen. Reitzle scheut nicht einmal vor der Brechstange zurück, die ihm das doppelte Stimmrecht gibt. Damit könnte er die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat überstimmen, die fest entschlossen ist, gegen eine Fusion mit Praxair zu votieren.
Die DSW ist nicht prinzipiell gegen einen Zusammenschluss - auch wenn das Management von Linde die Vorteile einer Fusion bisher nicht überzeugend vermittelt hat. Es geht um Aktionärsdemokratie mit der Hauptversammlung als ihrem wichtigsten Forum. Aus juristischer Sicht lässt sich wie so oft streiten, wer die besseren Argumente hat. Eine zentrale Rolle spielen zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH): das sogenannte Holzmüller-Urteil von 1982 und das Gelatine-Urteil von 2004. Ist nach diesen Rechtsprechungen die Zustimmung der Hauptversammlung von Linde notwendig, weil es mit der Fusion um eine Veränderung der Unternehmensstruktur geht? Für die DSW ist die Sache mit Blick auf eine gemeinsame Holding von Linde und Praxair klar.
Der Vorstand von Linde argumentiert dagegen, die zwei Fälle, über die der BGH entschieden hat, seien nicht mit dem Vorhaben eines Zusammenschlusses mit Praxair zu vergleichen. Zudem sieht das Management die Entscheidungsmacht der Aktionäre gewahrt. Keiner werde gezwungen, seine Linde-Aktien in die einer Holding mit Praxair zu tauschen. Doch wer will die Anteilscheine der alten Linde AG behalten? Deren Perspektive ist völlig unklar.
Jenseits aller juristischen Scharmützel zeugt das Beharren des Linde-Vorstands und Reitzles von Scheuklappendenken, das ganz auf das Zustandekommen eines deutsch-amerikanischen Zusammenschlusses gerichtet ist. Vielleicht befürchtet das Management Anfechtungsklagen gegen eine Entscheidung der Hauptversammlung - egal wie sie ausfällt. Die Fusion gegen alle Widerstände durchzuboxen, würde ein fatales Zeichen setzen. Schlechter könnte der Start nicht sein: mit enttäuschten Aktionären und wenig motivierten Mitarbeitern.
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