04.07.2019 20:47:43
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Börsen-Zeitung: Ohne Weitblick / Kommentar zum Tarifabschluss für das Bankgewerbe von Anna Sleegers
Das ist der eine Teil der Wahrheit. In Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche greift die auf den finanziellen Vorteil des Einzelnen beschränkte Sicht jedoch zu kurz. Während die Geldhäuser versuchen, sich für den Angriff branchenfremder Wettbewerber auf ihr angestammtes Geschäft zu wappnen, vergeuden die Tarifparteien Monate mit Feilschen um höhere Gehälter und freie Tage. Dem bisschen Digitalisierung, dem sich der Sektor in den kommenden 29 Monaten möglicherweise stellen muss, hofft man, mit dem Anspruch auf ein jährliches Qualifizierungsgespräch begegnen zu können. Wenn dieses ergibt, dass der bewährte Mitarbeiter den neuen technologischen Anforderungen nicht mehr genügt? Pech gehabt! Sollte das bestehende Weiterbildungsbudget nichts mehr hergeben, darf der Beschäftigte das Wissen um die eigene Unzulänglichkeit gratis mit nach Hause nehmen. Weitblick sieht anders aus.
Selbst die Versicherungsbranche ist schon weiter. Obwohl die Bedrohung von Arbeitsplätzen hier noch weit abstrakter erscheint, einigten sich die Tarifparteien bereits vor zwei Jahren auf ein Paket, das nicht bei der Identifikation des Bedarfs stehenbleibt, sondern eigene Budgets beinhaltet, um möglichst viele Beschäftigte in die digitale Zukunft mitzunehmen.
Man mag argumentieren, dass den Banken das Wasser heute höher steht. Ein Blick in den aktuellen Abschluss offenbart jedoch auch, dass die Verhandlungsparteien sich mal wieder vor allem an den Fragen von gestern abgearbeitet haben. So lässt sich etwa die unter vielen Vorbehalten eingeführte Erprobung einer befristeten Übernahmeregelung für Auszubildende zwar prima als gesellschaftlich wertvolles Verhandlungsergebnis vermarkten. Wer die Probleme bei der Suche nach geeignetem Nachwuchs kennt, weiß aber, dass die Banken schon aus Eigeninteresse tunlichst versuchen, die Digital Natives an sich zu binden.
(Börsen-Zeitung, 05.07.2019)
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