14.06.2019 22:37:42
|
Börsen-Zeitung: Mysterium Inflation, Marktkommentar von Dietegen Müller
Bloß ist mit einem Leitzins von 2,25 bis 2,50 Prozent der
Spielraum nach unten für die Fed überschaubar. Das weiß sie selbst
natürlich auch. Fed-Chef Jerome Powell hat auf einer Konferenz Anfang
Juni in Chicago gesagt, es werde keine Überraschung mehr sein, wenn
die Leitzinsen erneut einmal den unteren Rand ihrer Wirkungsfähigkeit
den sogenannten Effective Lower Bound (ELB) - erreichen. Die Fed
müsse sich darauf einstellen, so Powell. Vereinfacht gesagt geht es
um die Frage, was die Fed zu tun gedenkt, wenn die Leitzinsen die
Grenze von 0 Prozent erreichen, ob Negativzinsen möglich wären oder
ob sie andere Mittel nutzen würde, um die Wirtschaft zu stützen.
Anlass zur Sorge gibt auch die inverse US-Zinsstrukturkurve, die
eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Rezession signalisiert -
immerhin ist ja auch der Aufschwung, wenn er über Juni hinausgeht,
der längste in der jüngeren Geschichte der USA. Über die
Interpretation sind sich die Akteure aber nicht einig. Während für
etliche Marktteilnehmer damit gesetzt ist, dass eine Rezession kommt
und damit die Wahrscheinlichkeit von Zinssenkungen, die über das
hinausgehen, was am Markt eingepreist wird, hoch wäre -, gibt es auch
anderslautende Einschätzungen.
Der versierte US-Investor Howard Marks etwa sieht die Ursache für die Inversion darin, dass die Fed die Zinsen am kurzen Ende erhöht hat, während gleichzeitig ein Kapitalüberschuss sowie ein hohes Sicherheitsbedürfnis der Anleger eine hohe Nachfrage nach langlaufenden Bonds erzeugt haben und damit die Renditen am langen Ende drückten. Marks weist auch auf den geringeren Kapitalbedarf im Informationszeitalter hin, etwa für Internetunternehmen, die weniger Schulden aufnehmen als kapitalintensivere Unternehmen etwa aus dem Industriesektor. "Ich verstehe nicht ganz, warum eine inverse Zinsstrukturkurve negativ sein soll", so Marks, "aber ich kann nicht beweisen, dass sie es nicht ist." Eine mögliche Auswirkung sei, dass Banken keine Fristentransformation mehr im Zinsgeschäft machen können.
Unabhängig davon, wie die inverse US-Zinskurve nun beurteilt wird: Dass die Notenbanken gezwungen sein dürften, die Zinsen zu senken oder sich gar neue Maßnahmen zu überlegen, ist durchaus wahrscheinlich. Abgesehen von US-Präsident Donald Trumps unberechenbarem Politikstil und dem Risiko eines Handelskriegs, der zu einer globalen Rezession führen könnte, sind auch die niedrigen Inflationserwartungen und die niedrigen Inflationsraten ein Problem.
Einmal außer Acht gelassen, dass eine militärische Konfrontation in der Golfregion zu einem Preisschock bei Treibstoffen führen würde, gibt es keine Anzeichen, dass die Kerninflationsrate in den Industrieländern steigen dürfte. "Es ist mysteriös, warum die Inflation heute so gering ist und ob es in Zukunft Inflation geben wird", schreibt Howard Marks in seinem aktuellen Memo. In Europa ist die Inflationserwartung gemessen an Fünf-Jahres-Inflations-Swaps kollabiert und auf ein Rekordtief von unter 1,2 Prozent gefallen, und auch in den USA gerät sie wieder ins Rutschen.
Dies in einem Umfeld, in dem die Wirtschaft noch wächst und die Arbeitslosigkeit moderat ist. Selbst in den USA, wo der Arbeitsmarkt als angespannt gilt, steigen die Löhne nur mäßig - was daran liegen könnte, dass der Anteil der Bevölkerung, die am Arbeitsmarkt teilnimmt, seit der Finanzkrise geschrumpft ist.
Auch wenn die vom Markt gehegte Erwartung von drei US-Zinssenkungen sportlich wirkt: Das Risiko eines Handelskriegs sowie die sinkenden Inflationserwartungen sprechen eher für weiter fallende Zinsen. Bis das rasant steigende US-Defizit sich inflationssteigernd auswirkt, dürften noch einige Jahre ins Land gehen. Das kümmert derzeit noch kaum jemanden.
OTS: Börsen-Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30377 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2
Pressekontakt: Börsen-Zeitung Redaktion
Telefon: 069--2732-0 www.boersen-zeitung.de
![](https://images.finanzen.at/images/unsortiert/wertpapierdepot-absichern-aktienchart-boerse-750493204-260.jpg)
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!