24.03.2016 16:40:39
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Börse Frankfurt-News: "Waffen der EZB stumpfen immer mehr ab"(Baader Bond Markets)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 24. März 2016. Klaus Stopp setzt sich umfassend mit der aktuellen Situation an den internationalen Kapitalmärkten auseinander.
Auch noch zwei Wochen nach der beispiellosen Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) ist die Debatte um die Sinnhaftigkeit der beschlossenen Maßnahmen in vollem Gange. Im Kampf gegen die geringe Inflation habe die Zentralbank weiter genügend Instrumente zur Hand, versicherte diese Woche EZB-Direktor Benoît Coeuré. Seines Erachtens zeige bereits die jüngste Lockerungsrunde vom 10. März, dass der Notenbank die Mittel nicht ausgingen, um das Preisniveau zu beeinflussen. Immerhin hat die EZB in den vergangenen zwei Jahren rund 800 Milliarden Euro neues Geld gedruckt, was den Euro um rund 20 Prozent gegenüber dem US-Dollar an Wert verlieren ließ.
Ihrem Ziel, die Inflation in Richtung 2 Prozent zu heben, ist die Zentralbank allerdings keinen Deut näher gekommen. Im Gegenteil, die Teuerungsrate ist im Februar auf minus 0,2 Prozent abgerutscht. Daher wird die Frage immer lauter gestellt, ob denn EZB-Präsident Mario Draghi allmählich die Munition ausgeht. Für Zentralbankgeld mag es kein Limit geben, aber das Angebot an Staats- und Unternehmensanleihen, das Draghi mit seinem Geld ankauft, ist durchaus begrenzt. Dadurch sind die Renditen von Staatspapieren unter die Nulllinie gesunken. Wenn die EZB nun wie angekündigt auch noch Unternehmensanleihen ankauft, werden auch die Renditen dieser Titel in den Keller rutschen. Der Vorstandschef der Münchener Rück, Nikolaus von Bomhard, sagte dazu, ihm sei schleierhaft, wie die EZB die Anleihen auswählen wolle, von denen sie noch mehr ankaufen will. Die Zentralbank halte schon jetzt 25 Prozent aller gedeckten Anleihen und werde schon bald zehn Prozent aller europäischen Staatsanleihen halten.
Dass nun auch der eher theoretische Ansatz des sogenannten Helikoptergelds debattiert wird, mutet schon kurios an. Draghi hatte solche zielgenauen Finanzspritzen direkt von der Zentralbank an Unternehmen und Verbraucher als ein "sehr interessantes Konzept" bezeichnet. Dagegen beschreibt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der bereits die vorangegangenen Entscheidungen der EZB kritisiert hatte, die Option des Helikoptergeldes als ein waghalsiges geldpolitisches Experiment.
Noch deutlicher wurde der ehemalige Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, der die ganze Idee des Helikoptergelds für besorgniserregend, ja, für geradezu verheerend hält. Dies sei nichts anderes als eine Bankrotterklärung der Geldpolitik, sagte Issing wörtlich. Eine Notenbank, die Geld verschenkt, werde kaum mehr die Kontrolle über die Notenpresse wiedererlangen können.
Man muss sich vielmehr in der Europäischen Union klar machen, dass Geldpolitik kein Allheilmittel ist und nicht notwendige Reformen in einzelnen Ländern ersetzen kann. Dies wird offenbar vereinzelt auch bei der Notenbank so gesehen. Darauf deuten Äußerungen von EZB-Direktor Coeuré hin, der diese Woche darauf hinwies, dass die Geldpolitik der EZB nicht allein für eine nachhaltige Konjunkturerholung sorgen könne. Auch die Fiskal- und die Wirtschaftspolitik der Staaten der Eurozone stünden in der Verantwortung. Neben Wirtschaftsreformen könnten die Länder ihre Ausgaben für Investitionen sowie Forschung und Bildung erhöhen. Die EZB kann nicht ständig für die Politik die Kohlen aus dem Feuer holen. Damit wäre die Notenbank auf Dauer überfordert, was sich schon jetzt an dem Umstand zeigt, dass ihre Waffen immer stumpfer werden.
Teurer Brexit
Keine 100 Tage sind es mehr, bis die Briten entscheiden, ob Großbritannien noch Teil der EU sein soll oder nicht. Die Umfragewerte zu dem am 23. Juni stattfindenden Referendum sind seit dem vergangenen Sommer relativ stabil und tendieren pro Europa. In Online-Umfragen hat die In-Kampagne, die für einen Verbleib in der EU wirbt, meist ein bis zwei Prozentpunkte Vorsprung, in Telefon-Umfragen deutlich mehr. Die Out-Kampagne, die einen Brexit favorisiert, dagegen hat bislang nirgendwo deutlich und konstant vorne gelegen.
Im Meinungskampf um den Ausgang des Referendums hat diese Woche der britische Industrieverband CBI die Kosten eines EU-Austritts in den kommenden 4 Jahren auf 100 Milliarden Pfund taxiert. Dies entspräche rund 5 Prozent der jährlichen britischen Wirtschaftsleistung und würde 950.000 Jobs gefährden. Die Option eines EU-Austritts bezeichnet der Industrieverband daher als einen schweren Schlag für Lebensstandard, Jobs und Wachstum auf der Insel. Nach dem Wahlausgang wird man wissen, ob sich die Briten davon überzeugen lassen oder ob gar die EU noch einen teuren Anreiz hat bieten müssen, um für einen Verbleib in der Gemeinschaft zu stimmen.
Im Vorfeld des Referendums hat die Bank of England (BoE) an ihrem geldpolitischen Kurs nicht gerüttelt. Sie beließ bei ihrer jüngsten Sitzung den Leitzins bei 0,50 Prozent und es ist auch nicht davon auszugehen, dass sich vor der Abstimmung daran etwas ändern wird. War zu Jahresbeginn noch eine Zinsanhebung für möglich gehalten worden, so werden jetzt sogar wieder Zinssenkungen in Erwägung gezogen. Aber noch ist es nicht soweit.
Ungarn und Norwegen senken Zinsen
Auch bei zahlreichen kleinen Ländern zeigt der Zinstrend nach unten. So haben sowohl die norwegische als auch die ungarische Zentralbank ihre Leitzinsen gesenkt. Die ungarische Zentralbank hat sogar überraschend Negativzinsen eingeführt. Die Währungshüter in Budapest senkten den Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld auf 1,2 Prozent von zuvor 1,35 Prozent. Parallel dazu führten sie, dem Vorbild der EZB folgend, einen Minuszins für Banken ein, die über Nacht Geld bei der Notenbank parken. In Ungarn beträgt die Strafgebühr 0,05 Prozent gegenüber minus 0,4 Prozent bei der EZB.
Die norwegische Zentralbank reduzierte ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf jetzt 0,5 Prozent und behielt sich weitere Senkungen im laufenden Jahr vor. Die Notenbank geht davon aus, dass der Leitzins im ersten Quartal 2017 bei rund 0,2 Prozent liegen wird. Die Aussichten für die norwegische Wirtschaft legen laut Notenbank-Gouverneur Oeystein Olsen nahe, dass der Leitzins im Laufe des Jahres noch weiter abgesenkt werden muss.
Deutsche Bank unter Beobachtung
Vor dem Hintergrund der Verlustmeldungen bei der Deutschen Bank nimmt Moody's die Bonität der Bank unter die Lupe. So hat die US-Ratingagentur dem Institut avisiert, seine Einschätzung für deren Kreditwürdigkeit abzusenken. Dazu zählten das Langfristrating (A2) und das Rating für vorrangig unbesicherte Verbindlichkeiten (Baa1).
Schon jetzt sehen die Experten Kreditpapiere der Deutschen Bank nur als durchschnittlich gute Anlage an. Eine eventuelle Senkung des Ratings würde laut Moody's aber nur um eine Stufe erfolgen. Ein Abgleiten in den Bereich der spekulativen Anlagen droht folglich nicht. Dafür müsste Moody's die derzeitige Bonitätsstufe schon um drei Stufen senken.
Als Grund für ihre Überlegungen nennt die Ratingagentur zunehmende Hürden bei den Bemühungen der Deutschen Bank, die Profitabilität in den nächsten drei Jahren zu stärken und zu stabilisieren. Denn Gegenwind bei Erlösen und Ausgaben könnten zu einer Verzögerung bei der angestrebten Verbesserung führen.
Indessen hat das Geldhaus angekündigt, zumindest vorerst keine weiteren Coco-Bonds zu begeben. Diese neuartigen eigenkapitalähnlichen Anleihen seien "aktuell keine attraktive Option", hatte Finanzvorstand Marcus Schenck der "Börsen-Zeitung" gesagt. Ursprünglich hatte das Institut beabsichtigt, über Coco-Bonds ab 2016 weitere 3 bis 5 Milliarden Euro aufzunehmen.
Die bereits gehandelten Cocos der Deutschen Bank hatten im Februar vorübergehend stark an Wert verloren, weil viele Anleger sich darum sorgten, ob die Bank nach dem Rekordverlust von 2015 die versprochenen Zinsen auf die 2014 ausgegebenen Papiere zahlen kann.
Anheuser-Busch nimmt einen großen Schluck aus der Pulle
Um die Übernahme des zweitgrößten Brauereikonzerns SAB Miller bewerkstelligen zu können, hat sich die US-amerikanische Brauerei Anheuser-Busch der Hilfe der Anleger bedient und insgesamt 13,25 Milliarden Euro mittels 6 neuer Bonds refinanziert. Die Ausstattung der einzelnen Tranchen richtet sich nach der Laufzeit und stellt sich folgendermaßen dar: WKN A18ZDM / 2020 als Floater (3-Monats-Euribor +75 bps), A18ZDN / 2020 mit 0,625 Prozent p.a., WKN A18ZDP / 2022 mit 0,875 Prozent p.a., WKN A18ZDQ / 2025 mit einer Zinszahlung von 1,5 Prozent p.a., WKN A18ZDR / 2028 als 2 Prozenter und nicht zuletzt A18ZDS / 2036 mit einem Kupon von 2,75 Prozent. Bei allen Anleihen wurde der für Privatanleger interessante Nominalbetrag von 1.000 Euro als Mindestanlagesumme festgelegt und mit Ausnahme des Floaters wurde auch immer ein optionales Kündigungsrecht zu Gunsten des Emittenten (Make-Whole-Option) in die Anleihebedingungen aufgenommen.
Aber auch der deutsche Baustoffhersteller HeidelbergCement war am Primärmarkt aktiv und refinanzierte 1 Milliarden Euro im Rahmen einer siebenjährigen Anleihe (A2AASH) mit einer Mindeststückelung von 1.000 Euro. Das Unternehmen zahlt dem Investor einen jährlichen Kupon in Höhe von 2,25 Prozent bis zum Laufzeitende am 30.03.2023. Das Papier wurde mit 99,616 Prozent bzw. einem Emissionsspread von +246,9 bps über der vergleichbaren Bundesanleihe begeben. Auch diese Anleihe ist mit einem optionalen Kündigungsrecht zu Gunsten des Emittenten (Make-Whole-Option) ausgestattet.
von: Klaus Stopp
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© 24. März 2016 - Baader Bank AG
Klaus Stopp ist der stellvertretender Leiter des Rentenhandel der Baader Bank.
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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