30.04.2009 15:43:00

Börse Frankfurt-News: "Im Fegefeuer der Eitelkeiten" (Kolumne von Oliver Roth)

    FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 16. April 2009. Oliver Roth, Chefhändler bei der Close Brothers Seydler Bank, befasst sich in seinem Börsenkommentar mit dem Tauziehen bei Porsche und VW.

In der römisch-katholischen Kirchenlehre kommt das Fegefeuer für jeden Gläubigen vor der Himmelfahrt. Das Fegefeuer ist sozusagen die Qual, die man zuerst über sich ergehen lassen muss, bevor man ins Paradies aufsteigt. Da frage ich mich, wie lange Porsche und VW für die Eitelkeiten der Eigentümer-Familien werden büßen müssen? Wird Porsche nach dem langen Streit den himmlischen Bund mit Volkswagen eingehen können? Wenn wir über Eitelkeiten sprechen, so sticht einem der Clan-Streit zwischen Porsche und Volkswagen, zwischen Wolfgang Porsche und Ferdinand Piech besonders ins Auge. Wie einst bei dem berühmtesten Clan der deutschen Literatur, den "Buddenbrooks", überstrahlen die Namen der beiden Clans den der Konkurrenz. Doch auch die Eitelkeit, der Glanz und der Stolz des Clans erinnert an den Thomas Mann-Roman. Sehr vieles ist bei dieser Übernahme eher ungewöhnlich. Alleine schon der Fakt, dass der "Kleinere" den "Größeren" aufkaufen will, ist außergewöhnlich, doch dies ist nicht die einzige Besonderheit. Was steckt hinter dieser viel beachteten Übernahme? Sind es nur betriebswirtschaftliche Interessen? Liegt der Streit um die Übernahme in der Geschichte der Familie Porsche begründet?

Vielleicht hilft uns ein Blick in die Vergangenheit um die Gegenwart zu verstehen. Die gemeinsame Geschichte der beiden Automobilhersteller beginnt in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts mit dem legendären Ferdinand Porsche. Der geniale Ingenieur Porsche gründet 1930 das Konstruktionsbüro Ferdinand Porsche. Sein Schwiegersohn und Ehemann seiner Tochter Louise, Anton Piech, erhält damals einen Anteil von 15 Prozent an der Firma. 1934 wird das Unternehmen beauftragt, einen Volkswagen, den späteren VW-Käfer für das Deutsche Reich zu konstruieren. Mit der Hilfe von Ferdinand Porsche baut man um diesen Volkswagen herum einen Konzern auf. Porsche Senior zieht sich während des Krieges aus dem operativen Geschäft zurück und nach seiner Kriegsgefangenschaft übernimmt sein Sohn Ferry Porsche die Geschäfte. Er macht die Firma Porsche zu dem Sportwagenhersteller, den wir heute kennen. Nach dem Tod Ferdinand Porsches 1951 werden die Anteile des Unternehmens zwischen den Kindern Ferry Porsche und Louise Piech zu je 50 Prozent aufgeteilt. Doch auf Grund von vielen Familienstreitigkeiten wurde bereits 1972 entschieden, dass kein Familienmitglied die Porsche AG mehr anführen darf und die Enkel des Gründers aus dem Unternehmen ausscheiden müssen. Einer dieser Enkel heißt Ferdinand Piech. Jener Piech der Jahre später das Sagen beim Volkswagen-Konzern bekommt. Piech war 1993 von Audi zu VW gewechselt und bis 2002 im Vorstand des Unternehmens. Seit 2002 ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Wolfsburger. In der Porsche Holding, die alle Stammaktien von Porsche besitzt und vom Clan paritätisch besetzt ist, hat Wolfgang Porsche (der Sohn von Ferry) das Zepter in der Hand. Hier sitzt Ferdinand Piech lediglich im Aufsichtsrat.

Seit 2005 nun bedrohen Porsche-Chef Wiedeking und sein Finanz-Chef Härter die Machtposition des VW-Chefs Piech. Zug um Zug stockte die kleine Porsche Automobil Holding jedes Jahr ihre Beteiligung am Giganten Volkswagen auf. Es begann mit einer Minderheitsbeteiligung von 10 Prozent mit der offiziellen Begründung, es diene dem Schutz vor einer feindlichen Übernahme. In der Folgezeit wurde die Aufstockung munter forciert. Bei aufkommenden Übernahme-Spekulationen dementiert man einfach weitergehendes Interesse. Im März 2007 erreichte man dann urplötzlich eine Beteiligung von 30,9 Prozent und musste nun laut Übernahmegesetz ein Pflichtangebot an die VW-Aktionäre abgeben. Da man bei diesem Angebot wirklich nicht mehr als der Pflicht nachkam, stieß man auch bei den meisten Aktionären auf Ablehnung.

Im Oktober 2008 offenbarte Porsche dann doch, dass sie einen Beherrschungsvertrag mit VW anstreben. Dies erfordert eine Mehrheitsbeteiligung von 75 Prozent und ermöglicht den Zuffenhausenern den Griff auf den Cash Flow von Volkswagen. Dafür war die Familie Porsche auch bereit das Unternehmen mit einem weiteren Milliardenkredit zu verschulden. Einen 10 Milliarden Kredit bekam man mit großer Mühe gerade noch von den verärgerten Banken verlängert. Eine weitere Aufstockung des Kredits um weitere zweieinhalb Milliarden Euro steht wohl derzeit an. Mit dem Beherrschervertrag wäre Porsche dann alle finanziellen Sorgen los, denn die Zinslast für die Kredite beginnt zu drücken. Solange jedoch das neue VW-Gesetz dem Land Niedersachsen eine Beteiligung von knapp 20 Prozent und damit eine Sperrminorität sichert, braucht sich Ferdinand Piech nicht all zu sehr zu sorgen. Denn mit dem Ministerpräsidenten Wulf wird ein Beherrschungsvertrag nicht zu machen sein. Im Oktober 2008 sorgte Porsche für Kurskapriolen an den Börsen durch die Mitteilung, dass sie über 42 Prozent an den VW Stammaktien hielten sowie weitere 31,6 Prozent an Optionen zur Kurssicherung besäßen. Mit den Anteilen von Niedersachsen kam es dadurch rechnerisch zu einem Mangel an frei verfügbaren Aktien. Dieser löste phasenweise Panikkäufe an den Börsen aus. Doch Piech kann sich seiner Sache wegen der Mehrheitsverhältnisse bei VW nicht sicher sein, denn der EU ist genannter VW-Vertrag ein steter Dorn im Auge. So kommt ihm der finanzielle Engpass des Konkurrenten gerade recht. Zwar steht die Kreditzusage für Porsche weiter, aber zu schlechteren Konditionen als zuvor erwartet worden war. Höhere Zinsen, Hinterlegung VW Anteile als Sicherheit sowie die kurzfristige Rückzahlung von einem drei Milliarden Euro Kredit mussten aus der Not heraus akzeptiert werden.

Genau dieses Geld fehlt und soll nun schnellstens herein geholt werden. Eine Kapitalerhöhung der stimmrechtslosen Vorzugsaktien über die Börse wäre eine Alternative, aber zurzeit genauso schwer platzierbar wie eine Anleihe. Bleibt noch das Angebot eines arabischer Investors, der das Geld einbringen soll. Doch nun schlägt möglicherweise die Stunde des alten Fuchses Piech. Denn genau hier kann Piech ansetzen, um die Balance im Machtduell mit Wolfgang Porsche in der Holding zu seinen Gunsten zu verändern. Um Stammaktien von Porsche zu erwerben braucht es die Erlaubnis von beiden Clans. Obwohl der Porsche-Clan die Mehrheit im Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding inne hat, fällt damit Piech und seinem Clan eine Art Veto zu. Dieses Veto könnte der VW-Chef ausnutzen, um den Verkauf von Stammaktien abzulehnen. Begründen könnte er dies damit, dass kein dritter Porsche Stammaktien besitzen darf und könnte anschließend die Übernahme von Porsche Aktien durch die Volkswagen AG einleiten. Damit blieben die Anteile in der Familie und Piech gewänne mit VW die Kontrolle über Porsche.

Doch ob es wirklich zu einer umgekehrten Übernahme kommt, bleibt unsicher, denn die Familie Porsche und der Porsche-Vorstand haben noch genug Zeit, eine Lösung zu finden. Der betriebswirtschaftliche Nutzen des gesamten Deals ist eher zweifelhaft, selbst wenn es bereits viele Kooperationen (z.B. die gemeinsame Touareg/Cayenne Produktion) zwischen Porsche und VW gibt. Es hätte sicher gute Alternativen zur totalen Übernahme für Porsche gegeben, aber ob diese wirklich vom Porsche-Clan gewünscht waren, ist fraglich. Die Vorkommnisse zeigen jedoch, wie ein einst gesundes und schuldenfreies Vorzeigeunternehmen durch riskante Finanzmanöver und familiäre Zwistigkeiten innerhalb kürzester Zeit in arge Bedrängnis kommen kann. Es bleibt für die Beteiligten zu hoffen, dass Porsche, VW und deren Mitarbeiter nicht wegen der Eitelkeiten der Protagonisten im Fegefeuer lange ausharren müssen. Früher oder später wird es zur einer Vereinigung von Porsche und Volkswagen unter einem Konzerndach kommen. Wer schlussendlich das Zepter in der Hand hält, wird dem Autokäufer wohl egal sein.

© 30. April 2009/Oliver Roth

* Oliver Roth ist Chefhändler und Börsenstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Das Unternehmen ist eine der größten Wertpapierhandelsbanken in Deutschland. Roth arbeitet seit 1990 an der Frankfurter Wertpapierbörse und ist seit 11 Jahren bei der Close Brothers Seydler Bank AG, bei der er sowohl Erfahrungen im Rentenhandel als auch im Handel mit deutschen und ausländischen Aktien auf dem Frankfurter Parkett der Deutschen Börse gesammelt hat.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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