16.04.2009 14:03:00

Börse Frankfurt-News: "Hexenjagd" (Kolumne von Oliver Roth)

    FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Blick auf die Börse von Oliver Roth*

16. April 2009. Oliver Roth, Chefhändler bei der Close Brothers Seydler Bank, befasst sich in seinem Börsenkommentar mit der aktuellen Finanzkrise. Sind Banker wirklich charakterschwache Hasardeure, die sich selbst bereichern, sobald sie die Gelegenheit dazu erhalten? Was sollten wir aus den letzten Monaten der Finanzkrise gelernt haben?

Die Staatschefs sind entrüstet. Das Volk schreit nach Schuldigen und giert nach Satisfaktion. Die Medien wollen Köpfe rollen sehen. Das hört sich fast nach einer Hexenverfolgung aus dem Mittelalter an. Doch es soll, trotz anders lautender Märchenmeldungen, gar keine Hexen und Hexer geben. Wenn es also keine Hexer mehr gibt, wem will die ganze dann Welt an den Kragen? Sie jagt die Hexer der Neuzeit, die verfluchten Banker. Mitten in der, durch Renditegier verursachten Finanzkrise, in der viele Investmentbanken eine zentrale Rolle spielen, erhalten deren Protagonisten trotz der derzeitigen Krise, zusätzlich zu den generösen Gehältern auch noch garantierte Bonus-Zuschläge. Teilweise wird dies durch den Steuerzahler direkt oder indirekt mitfinanziert. Das ist ein Skandal! Oder etwa nicht? Bonuszahlungen für Bankmitarbeiter von staatlich gestützten Finanzinstituten, die ohne Unterstützung schließen müssten, sind Nachrichten, an die man sich nicht gewöhnen will. Der Staat muss verschiedenen Banken mit Milliarden aus Steuergeldern aushelfen, damit ein Zusammenbruch dieser Institute nicht noch mehr Unheil über die Wirtschaftswelt bringt. Dadurch ist der Staat erpressbar geworden. Investmentbanken versemmeln Milliarden im Rahmen der Finanzkrise und dennoch besitzen viele der Protagonisten Arbeitsverträge, ie ihnen Millionen-Gehälter zuzüglich Boni garantieren. Sind gierige Banker an der Krise schuld oder doch die Börsen,bei denen es sogar den Hexensabbat gibt? Sind Banker wirklich charakterschwache Hasardeure,die sich selbst bereichern, sobald sie die Gelegenheit dazu erhalten? Was sollten wir aus den letzten Monaten der Finanzkrise gelernt haben?

Die Ursachen der Finanzkrise sind hinlänglich bekannt. Dabei gehören die Börsen und Herr Meier vom Bankschalter, entgegen der landläufigen Meinung, nicht zu den Verursachern des Ganzen. Unregulierte und nicht erfasste Spekulationsgeschäfte der Investmentbanken sind jedoch eine wesentliche Ursache für unsere Misere. Eine Mischung aus fehlendem Risikobewusstsein, Maßlosigkeit und Fahrlässigkeit machte sich in der Wirtschaft breit. Auch in der Entlohnung fehlte oft das rechte Maß. Der Begriff Bonus steht für einen einmaligen, leistungsbezogenen Zuschlag auf das Arbeitsentgelt. Damit soll ein weiterer Leistungsanreiz für die Mitarbeiter geschaffen werden. Je mehr Arbeitsleistung ein Mitarbeiter erbringt und je mehr Erfolge er erringt, desto mehr Geld soll für ihn herauskommen. Es kann aber doch nur ausgezahlt werden, was zuvor verdient wurde. Entgegen jeder Logik erhalten auch Angestellte der Krisenbanken, teilweise erst durch staatliche Unterstützung ermöglicht, Boni in Millionenhöhe. Aber dieser sollte doch eigentlich für eine besondere Leistung erfolgen. Doch wie so oft im Leben verändern Menschen bei sich bietender Gelegenheit die Dinge zu ihren Gunsten. Denn Gelegenheit macht ja bekanntlich Diebe. So verkam teilweise, ein an sich gutes Entlohnungssystem, zu einem Selbstbedienungsladen für Manager mit garantierten Zusatzbezügen. Die Anreizsysteme zur Leistungsförderung, wie z.B. unterschiedliche Provisionsarten und Bonus-Systeme haben sich in unserer modernen Volkswirtschaft bewährt. Der Mitarbeiter partizipiert direkt entgeltlich am Erfolg seiner Arbeit und damit am Erfolg seines Betriebes. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Im Rahmen der Finanzkrise wurde immer wieder öffentlich der Finger in diese Wunde gelegt, und das zu Recht. Diese Ausnahmen, oder nennen wir sie besser Verwerfungen, waren vor allem in teilen der Finanzbranche so gravierend, dass es mir den Atem verschlägt. Doch Vorsicht vor leichtfertigen und undifferenzierten Vorverurteilungen.

Wie so oft in schwierigen Zeiten, wird hektisch mit dem Finger auf andere gezeigt, ohne sich dabei die nötige Distanz zu wahren und das nötige Detailwissen zu besitzen. "Denn an allem Unfug der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindert haben." sagte schon Erich Kästner. In Zeiten, in denen "Geiz ist geil" als Werbeslogan erfolgreich eingesetzt wird, ist Gier und Geiz offensichtlich akzeptierter Bestandteil unserer Gesellschaft. So verwundert es nicht weiter, dass viele Investmentbanker auf die Erfüllung ihrer Verträge pochen, die nun einmal zuvor von zwei Vertragsparteien unterzeichnet worden waren. Die Frage lautet also nicht, weshalb die Angestellten ihre Boni trotz Versagens kassieren wollen, sondern viel eher weshalb solche Verträge mit garantierten Zusatzzahlungen von Arbeitgebern abgeschlossen wurden. Ein Grund dafür lag wohl auch in dem ehrgeizigen Bestreben der global aufgestellten Banken die internationale Elite der Investmentbanker an sich zu binden. Um diese Eliteangestellten zu akquirieren gaben sie ihnen Garantieverträge mit Fixgehalt und garantierten Boni oder Pensionsansprüchen. Diese Form der Mitarbeiterwerbung machte Schule, denn die Geschäfte mit den heute sogenannten "faulen Anleihen" und Firmenübernahmen liefen prächtig. Im Fußball spielen Topstürmer auch nur für unseren Verein wenn sie Topgehälter garantiert bekommen. Wenn dann aber die Tore ausbleiben und das Team absteigt, wird der Stürmer verkauft. Auch dort wird manchmal eine Abfindung fällig. Es ist also nichts neues, das erfolglose Gesellen eine große Summe Geld als Abschiedsgeschenk erhalten. Vertrag ist Vertrag. Auch weiterhin werden Unternehmen eigenständig Arbeitsverträge mit ihren Mitarbeitern abschließen. Für die Kontrolle dieser Vorgänge gibt es Kontrollgremien wie z.B. Aufsichtsräte. Ob diese meist von ehemaligen leitenden Angestellten des Unternehmens geführten Gremien dabei erfolgreich agieren, wäre eine eigene Kolumne wert. Dennoch bleibt Fakt, dass Verträge geschlossen werden, um eingehalten zu werden. Das Besondere an dieser Finanzkrise ist jedoch, dass der Steuerzahler teilweise für die Bonus Forderungen aufkommen muss. Das ist der Skandal. Sind nun die Angestellten alleine daran schuld? Wohl kaum, wobei sie natürlich freiwillig auf das Geld verzichten könnten. Würden Sie das tun? Einige der Boni- Profiteure haben tatsächlich auf ihre Geld verzichtet wie z.B. der Chef von Dresdner Kleinwort. Dabei sind Investmentbanker ein Spiegel unserer Gesellschaft. Sie sind nicht besser oder schlechter als andere Menschen in vergleichbarer Situation. Eine Debatte über ethische Grundsätze sollte jedoch dringend geführt werden, damit in unserer Gesellschaft wieder Tugenden wie Sparsamkeit, Fleiß und Mäßigung honoriert werden. Insbesondere Vorstände haben hier eine besondere Vorbildfunktion in der Gesellschaft und damit auch eine Verantwortung für die Akzeptanz der Marktwirtschaft in großen Teilen der Bevölkerung. So sind zwar garantierte Boni rechtlich nicht zu beanstanden, moralisch sind sie es aber schon. Weltweit haben die Regierungen versäumt vor den Geldspritzen an die Institute sicherzustellen, dass Boni an Mitarbeiter nicht ausgezahlt werden können. Das Bonuszahlungen zukünftig wieder nur nach Leistung und Erfolg gezahlt werden sollten, darin stimmen sie mir sicher zu. Einem nackten Mann greift man auch nicht in die Tasche. Was sollten wir daraus lernen?

Arbeitsverträge sollten so geschlossen werden, dass Zusatzzahlungen nur erfolgen, wenn eine gute Leistung erbracht wurde und am Ende des Jahres für die Firma Geld übrig bleibt. Das Große und Ganze zählt. Die Staaten haben hoffentlich gelernt, dass erst dann Geld an notleidende Banken fließen darf, wenn sichergestellt ist, dass die Finanzhilfen im Unternehmen bleiben. Und wir sollten daran denken, dass es keine Hexen gibt und es deshalb auch wenig Sinn macht, sich an einer Hexenjagd zu beteiligen.

© 16. April 2009/Oliver Roth

* Oliver Roth ist Chefhändler und Börsenstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Das Unternehmen ist eine der größten Wertpapierhandelsbanken in Deutschland. Roth arbeitet seit 1990 an der Frankfurter Wertpapierbörse und ist seit 11 Jahren bei der Close Brothers Seydler Bank AG, bei der er sowohl Erfahrungen im Rentenhandel als auch im Handel mit deutschen und ausländischen Aktien auf dem Frankfurter Parkett der Deutschen Börse gesammelt hat.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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