US-Wahl 06.11.2020 22:25:00

Biden kurz vor Wahlsieg - Ansprache von Biden/Harris angekündigt - Trump spricht erneut von "illegalen Stimmen"

Biden kurz vor Wahlsieg - Ansprache von Biden/Harris angekündigt - Trump spricht erneut von "illegalen Stimmen"

Überall konnte der Demokrat Joe Biden dabei seine Position ausbauen. Der demokratische Herausforderer von Amtsinhaber Donald Trump lag in vier von fünf noch umkämpften Bundesstaaten in Führung. Biden überholte Präsident Trump in Pennsylvania und Georgia. Trump machte deutlich, dass er sich mit einer Niederlage keinesfalls abfinden will. Den Vereinigten Staaten stehen kritische Wochen bevor - so oder so.

Wenn Biden den Bundesstaat Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten gewinnt, hätte er die Mehrheit von 270 Wahlleuten bereits sicher. Nach den bereits feststehenden Entscheidungen verfügt der ehemalige Vizepräsident unter Barack Obama bislang über mindestens 253 Stimmen. Auch in Georgia, Arizona und Nevada lag er vorn. Dagegen sah es für Trump in North Carolina und Alaska gut aus - was ihm allerdings nicht reichen würde. Der Präsident wird in den USA nicht direkt gewählt, sondern von einer Wahlversammlung (Electoral College) im Dezember. Die Amtseinführung soll am 20. Januar 2021 stattfinden.

Bis dahin wird es mit großer Wahrscheinlichkeit aber noch komplizierte Verfahren vor den Gerichten geben. Befürchtet werden auch gewaltsame Proteste von Anhängern oder Gegnern des Präsidenten. Trump stellte sich bei einem Auftritt im Weißen Haus abermals als Opfer systematischen Wahlbetrugs dar, ohne irgendeinen Beweis für seine Behauptungen zu nennen. Mehrere US-Fernsehsender brachen daraufhin ihre Live-Übertragung ab. In den jetzt noch ausstehenden Bundesstaaten stellte sich die Situation am Freitagabend so dar:

PENNSYLVANIA (20 Stimmen):

In dem Staat im Nordosten führte Trump zu Beginn der Auszählung zeitweise mit mehr als 700 000 Stimmen. Biden holte aber mit Auszählung der Briefwahlstimmen immer mehr auf und überholte den Präsidenten am Freitag. Zuletzt hatte er einen Vorsprung von mehr als 13 600 Stimmen. Rund 100 000 Stimmen standen noch aus, allerdings hatte Biden bei den jüngsten Aktualisierungen seine Position konstant verbessern können.

Offizielle kündigten außerdem an, dass am späteren Nachmittag (Ortszeit) mit der Auswertung von bis zu 30 000 abgegebenen Stimmen begonnen werde, bei denen die Daten nachkontrolliert werden müssen. Darunter sind beispielsweise solche von Wählern, die nicht in einem Wahlbüro abgestimmt haben, in dem sie registriert waren, sondern in einem anderen. Damit die Stimmen gezählt werden können, halten Wahlhelfer Rücksprache mit dem ursprünglichen Wahlbüro.

GEORGIA (16 Stimmen):

In dem Staat im Südosten lag Trump anfangs mit mehr als 300 000 Stimmen vorn. Im Lauf der Auszählung schmolz der Vorsprung zusammen. Am Freitag hatte Biden einen Vorsprung von etwa 1600 Stimmen. Experten erwarteten, dass die noch ausstehenden Stimmen diesen Vorsprung vergrößern. Rund 8200 Briefwahlstimmen lagen noch vor, außerdem standen auch hier einige tausend Stimmen zur Überprüfung an. Bei 8400 Stimmen, die an Militärangehörige nach Übersee verschickt worden waren, war unklar, wie viele davon noch zurück auf dem Weg an die Wahlleiter waren. Bei einer erwarteten Neuauszählung soll jede Stimme neu eingescannt werden, was bis Ende November dauern könnte. Die Demokraten haben Georgia seit 1992 nicht mehr gewonnen.

ARIZONA (11 Stimmen):

Die Nachrichtenagentur AP und der Fernsehsender Fox hatten den Staat recht früh in der Wahlnacht bereits Biden zugeschlagen. Andere Medien hielten sich zurück. In Arizona ist Bidens Vorsprung leicht auf knapp 41 000 Stimmen zurückgegangen. Etwa 220 000 Stimmen standen noch zur Auszählung an, in welchem Takt neue Ergebnisse verkündet würden, war unklar. Zuletzt hatte Trump nur langsam seinen Rückstand aufgeholt.

NEVADA (6 Stimmen):

In dem Staat im Westen - mit der Glücksspiel-Hochburg Las Vegas - hatte Biden am Freitag seinen Vorsprung auf gut 20 100 Stimmen nahezu verdoppelt. Hier gingen Wahlkommentatoren nicht davon aus, dass sich durch noch ausstehende Stimmen etwas an dieser Mehrheit ändern würde, weil diese vor allem aus dem demokratenstarken Las Vegas stammen.

NORTH CAROLINA (15 Stimmen):

In dem Ostküsten-Staat lag Trump mit mehr als 76 000 Stimmen vorn, was für Biden kaum noch einzuholen war. Besonderheit: In North Carolina werden sogar noch Briefwahlstimmen gezählt, die bis zum 12. November eingehen - also neun Tage nach dem Wahltag. Mit einem Ergebnis wurde am Freitag nicht mehr gerechnet. Alaska, wo es ebenfalls noch kein Ergebnis gab, gilt als sichere Bank für Trump.

Falls der Amtsinhaber tatsächlich verlieren sollte, rechnet kaum jemand mit einem Eingeständnis seiner Niederlage. Der Präsident kündigte an, sich mit einer ganzen Serie von Klagen bis hinauf zum Obersten Gericht gegen eine Niederlage zu wehren. Der Leiter der Rechtsabteilung von Trumps Team, Matt Morgan, erklärte am Freitag: "Diese Wahl ist nicht vorbei." Die Prognosen von Wahlsiegen Bidens in Pennsylvania, Georgia, Nevada und Arizona beruhten auf Ergebnissen, die noch lange nicht vollständig seien. "Sobald die Wahl abgeschlossen ist, wird Präsident Trump wiedergewählt sein", zeigte sich Morgan optimistisch. In einigen Bundesstaaten wurden schon Klagen eingereicht. In Michigan und Georgia wurden erste Beschwerden abgewiesen.

Behörden in Georgia rechnen mit Neuauszählung

Die zuständigen Behörden in Georgia rechnen mit einem so knappen Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl in diesem Bundesstaat, dass eine Neuauszählung erwartet wird. Beide Kandidaten könnten dies beantragen, sobald ein bestätigtes Ergebnis mit einem Abstand von höchstens 0,5 Prozentpunkten vorliege, sagte der Vertreter der Wahlbehörde, Gabriel Sterling, am Freitag in Atlanta. Am Freitag hatte Herausforderer Joe Biden in Georgia einen Vorsprung von lediglich 1586 Stimmen vor Amtsinhaber Donald Trump.

Drei Tage nach der Wahl waren 4169 Stimmen noch nicht ausgezählt. Wegen hoher Anforderungen an die Prüfung der Wahlzettel und Auszählung werde das Ergebnis voraussichtlich zum Wochenende vorgelegt werden können, sagte Sterling. Bei einer Neuauszählung müsse jede Stimme neu eingescannt werden, was bis Ende November dauern könne.

Sterling, der der Republikanischen Partei angehört, sagte, es habe abgesehen von einigen kleineren Vorfällen keine "verbreiteten Unregelmäßigkeiten" gegeben. Der Behördenvertreter gab zu bedenken, dass die Auszählung mitten in einer Pandemie stattfinde. Es werde pausenlos ausgezählt und geprüft. Er hoffe, dass die Wahlhelfer bald etwas Zeit zum Schlafen finden könnten. Er denke, dass es dann ähnlich wie nach einer Naturkatastrophe T-Shirts geben sollte mit der Aufschrift: "Ich habe die Wahl 2020 überlebt."

Biden will Ansprache an die Nation halten

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden will sich am Freitagabend (Ortszeit) in einer Ansprache an die Nation wenden. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von einem Sprecher von Bidens Wahlkampfteam. Biden hat sich seit der Wahl bereits drei Mal an das amerikanische Volk gewendet und zu Geduld angesichts der laufenden Auszählung aufgerufen. Auch Senatorin Kamala Harris, die Kandidatin der Demokraten für das Amt des Vize-Präsidenten, wird angeblich am Freitagabend (Ortszeit) eine Rede halten.

Er und seine Vize-Kandidatin Kamala Harris hätten keinen Zweifel, dass sie nach Auszählung der Stimmen die Wahl gewonnen haben werden, sagte Biden bereits am Donnerstag bei einem kurzen Auftritt in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. "Deswegen bitte ich alle, die Ruhe zu bewahren", sagte Biden. "Der Ablauf funktioniert, das Auszählen wird zu Ende gebracht." Jede Stimme müsse gezählt werden, betonte Biden. Man werde das Ergebnis der Wahl "sehr bald" kennen.

Trump spricht weiter von 'illegalen Stimmen'

US-Präsident Donald Trump hat am Freitag erneut den Vorwurf erhoben, nach der Präsidentschaftswahl vom Dienstag würden "illegale Stimmen" gezählt. Von Anfang an habe er gesagt, dass nur "legale Stimmen" für das Ergebnis berücksichtigt werden dürften. "Aber wir sind bei diesem grundlegenden Prinzip auf Widerstand von Seiten der Demokraten gestoßen", erklärte Trump in einer schriftlichen Mitteilung.

Es gehe um die Integrität des gesamten Wahlprozesses. Der Präsident kündigte erneut an, alle rechtlichen Mitteln nutzen zu wollen. An das amerikanische Volk gerichtet fügte er hinzu: "Ich werde niemals aufgeben, für euch und unsere Nation zu kämpfen." Seit der Wahlnacht hat Trump mehrfach behauptet, es gebe Wahlbetrug, ohne Beweise dafür zu nennen.

Trump rast erneut auf Twitter

US-Präsident Donald Trump hat am Freitagmorgen deutscher Zeit auf Twitter erneut gegen angeblich illegale Stimmen gewettert. Mit den legalen Stimmen werde er die Wahl spielend gewinnen, so Trump. Außerdem behauptete er, Wahlbeobachter hätten ihre Arbeit nicht machen machen dürfen. Twitter versah den Tweet erneut mit einem Warnhinweis.

Trump spricht von Wahlmanipulation - Wahlbeobachter widersprechen

Trump prangerte bei seinem Auftritt am Donnerstagabend (Ortszeit) ohne jegliche Belege eine Reihe angeblicher Manipulationen der Abstimmung vom Dienstag an. Dabei sieht er sich weiterhin und trotz noch laufender Auszählung in einer Reihe von Staaten als legitimer Sieger. "Wenn man die legalen Stimmen zählt, gewinne ich mit Leichtigkeit", sagte Trump. "Wenn man die illegalen Stimmen zählt, dann können sie versuchen, uns die Wahl zu stehlen."

Trump hat bislang keine Beweise für seine Behauptungen vorgelegt, dass es massiven Wahlbetrug gegeben habe. Außerdem gab es keine Anhaltspunkte dafür: Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa haben eigenen Aussagen zufolge "keinerlei Hinweise auf systemische Probleme finden können". Trump kritisierte weiter, dass vor der Wahl zu seinem Schaden wissentlich falsche Umfrageergebnisse veröffentlicht worden seien. Tatsächlich sahen viele Umfragen Herausforderer Joe Biden deutlich besser als es die bisherigen Ergebnisse tun.
Trump kündigte auch erneut an, sich massiv vor Gericht gegen eine Niederlage zu wehren. "Es wird eine Menge Klagen geben. Wir können nicht zulassen, dass eine Wahl auf diese Weise gestohlen wird". Trumps Team hatte bereits in einigen Bundesstaaten Klagen gegen die Stimmauszählung eingereicht. In Michigan und Georgia wurden diese Beschwerden abgewiesen.

In einem in der Nacht zum Donnerstag bekanntgewordenen Brief forderten Anwälte von Trumps Wahlkampfteam Justizminister Bill Barr zu Ermittlungen auf. Sie behaupteten, sie hätten in Nevada 3062 Personen festgestellt, die unrechtmäßig ihre Stimme in dem Bundesstaat abgegeben hätten.

Trump musste sich scharfe Kritik von Mitgliedern seiner Partei für sein Vorgehen gefallen lassen. "Es gibt keine Rechtfertigung für die Äußerungen des Präsidenten heute Abend, die unseren demokratischen Prozess untergraben", schrieb der republikanische Gouverneur von Maryland, Larry Hogan, auf Twitter. In einem Interview mit dem Sender PBS warf er Trump und dessen Lager vor, mit Warnungen vor der Briefwahl den Boden für das jetzige Vorgehen - das Anzweifeln der Ergebnisse - bereitet zu haben. Hogan ist der Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der Gouverneure.

Der Kongressabgeordnete Adam Kinzinger forderte, für Betrugsvorwürfe Beweise vorzulegen und sie vor Gericht zu präsentieren. "Hören Sie auf, entlarvte Falschinformationen zu verbreiten... Das wird langsam verrückt", schrieb er auf Twitter.

Der einflussreiche Vorsitzende des Justizausschusses im US-Senat, Lindsey Graham, stellte sich dagegen auf die Seite von Trump und spendete 500 000 Dollar für dessen Anwaltsfonds.

Trump-Sohn fordert "totalen Krieg" um Wahl

Präsidentensohn Donald Trump Jr. hat seinen Vater aufgerufen, einen "totalen Krieg" rund um die Wahl zu eröffnen. Donald Trump müsse "all den Betrug und Schummeleien offenlegen", schrieb sein Trump Jr. Sohn am Donnerstag bei Twitter. Dazu gehörten die Stimmen von Wählern, die tot seien oder nicht mehr im jeweiligen Bundesstaat lebten, behauptete der Trump-Sohn. "Es ist an der Zeit, dieses Schlamassel zu bereinigen und nicht mehr wie eine Bananenrepublik auszusehen."

Biden-Sprecher über Trump: 'Eindringling' aus Weißem Haus eskortieren

Das Wahlkampfteam von Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat im Falle eines Sieges bei der US-Wahl die erzwungene Entfernung von Amtsinhaber Donald Trump aus dem Weißen Haus ins Spiel gebracht. "Die Regierung der Vereinigten Staaten ist durchaus in der Lage, Eindringlinge aus dem Weißen Haus zu eskortieren", sagte Sprecher Andrew Bates übereinstimmenden Medienberichten zufolge. Er reagierte damit auf Befürchtungen, dass Trump eine drohende Wahlniederlage nicht eingestehen könnte. Biden selbst hatte sich bereits vor Wochen ähnlich geäußert.

US-Polizei nimmt zwei Männer mit Waffen nahe Stimmauszählung fest

Die Polizei in Philadelphia hat in der Nähe des Kongresszentrums, wo Stimmen der US-Präsidentenwahl ausgezählt werden, zwei Männer mit Waffen in ihrem Fahrzeug festgenommen. Die Behörden äußerten sich zunächst nicht zu den Hintergründen. Der Lokalsender WPVI berichtete in der Nacht zum Freitag (Ortszeit), die Polizei habe einen Hinweis bekommen, wonach ein Angriff auf das Kongresszentrum geplant worden sein könnte. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie einer der Männer abgeführt wurde.

In Philadelphia sind die Regeln zum Mitführen von Waffen etwas strenger als im Rest des Bundesstaates Pennsylvania - dafür ist eine Erlaubnis erforderlich. Der Sender Fox News berichtete, die Bundespolizei FBI habe die Ermittlungen übernommen.

Am Vortag waren bereits im Bundesstaat Arizona bewaffnete Personen bei einer Demonstration von Trump-Anhängern vor einem Gebäude für die Stimmauszählung dabei. In Arizona ist das offene Tragen von Waffen erlaubt.

Biden erhält offenbar mehr Schutz vom Secret Service

Der Secret Service entsendet einem Medienbericht zufolge zusätzliche Mitarbeiter zum Schutz des US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden in den Bundesstaat Delaware. Biden werde sich mindestens noch einen weiteren Tag in der Stadt Wilmington aufhalten und möglicherweise bereits am Freitag eine große Rede halten, berichtete die "Washington Post" in der Nacht zum Freitag (Ortszeit) unter Berufung auf zwei ungenannte Quellen. Dies habe Bidens Wahlkampfteam der Behörde mitgeteilt.

Dem Bericht zufolge sind bereits Dutzende Mitarbeiter des Secret Service im Kongresszentrum Chase Center im Einsatz, wo sich Biden mit seinem Team einquartiert hat. Die zusätzlichen Agenten sollten voraussichtlich ab Freitag die Sicherheitsvorkehrungen dort verstärken. Die Anzahl der in Wilmington abgestellten Mitarbeiter entspricht demnach aber nicht dem Schutz, der einem designierten Präsidenten zusteht. Eine Sprecherin des Secret Service erklärte, man werde sich nicht öffentlich zu den Sicherheitsvorkehrungen äußern.

Experten geben Biden gute Chancen auf einen Wahlsieg. Bei der noch andauernden Auszählung in den wichtigen Bundesstaaten Pennsylvania und Georgia hatte er Amtsinhaber Donald Trump zuletzt immer weiter eingeholt. Der ehemalige Vizepräsident hat dort die Chance, Trump noch zu überholen. Trump hat bereits eine Klagewelle gegen die drohende Wahlniederlage angekündigt. Bei einem Auftritt im Weißen Haus am Donnerstagabend stellte er sich als ein Opfer von Wahlbetrug bei der Präsidentenwahl dar, ohne dafür Beweise vorzulegen.

WASHINGTON/WILMINGTON (dpa-AFX)

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