20.12.2013 18:49:59

Badische Zeitung: Jesus, Marx und die Große Koalition / Soziale Utopien kranken daran, dass sie die wirtschaftliche Knappheit ignorieren - Gastbeitrag von Lüder Gerken

Freiburg (ots) - In wenigen Tagen wird das Lukas-Evangelium wieder in aller Munde sein, denn in ihm steht die Weihnachtsgeschichte. Weniger bekannt ist der Rest dieses Evangeliums. Dabei hat es - gerade auch für Ökonomen - interessante Stellen zu bieten. Etwa Lukas 10, 38-42 zum Besuch Jesu bei Marta und Maria: Während Marta ihn umsorgt, setzt sich Maria hin und hört ihm zu. Marta protestiert und fordert Jesus auf: "Sage ihr doch, sie soll mir helfen!" Jesus antwortet: "Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden." In der Bergpredigt sagt Jesus zu seinen Anhängern: "Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt." Und: "Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie" (Matthäus 6, 25-26). Wirtschaftswissenschaftler sind es gewohnt, alles und jedes unter Effizienz- und Nutzengesichtspunkten zu sehen. Lassen wir also einmal die theologische Interpretation außer acht und betrachten die Empfehlungen Jesu radikal ökonomisch. Jesus fordert Marta auf, seine Worte zu konsumieren, statt durch Arbeit eine Dienstleistung zu erbringen. In der Bergpredigt sagt er seinen Jüngern, dass sie auch ohne die Produktion von Nahrung und Kleidung und ohne Lagerhaltung konsumieren können. Ihre materiellen Bedürfnisse würden schon befriedigt - irgendwie. Diese Vorstellung liegt auch dem Kommunismus zugrunde, wie ihn zuerst Karl Marx und Friedrich Engels verkündeten. Eindrucksvoll zeigt dies die visionäre Vorstellung, dass es dem Menschen - der im Kapitalismus ja bekanntlich ausgebeutet wird - im Kommunismus möglich sein wird, "heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden" (Marx-Engels-Werke Band 3, Seite 33). Die heutige Spaßgesellschaft lässt grüßen. Die Wirtschaftswissenschaft unterteilt das Wirtschaftsleben gerne in zwei Problemkreise: Produktion und Verteilung. Bei der Produktion geht es um die Frage, wie Arbeit und Kapital möglichst effizient eingesetzt werden können, damit der gesamtwirtschaftliche Wohlstand maximiert wird. Bei der Verteilung geht es um die Frage, wie dieser gesamtwirtschaftliche Wohlstand so auf die einzelnen Menschen verteilt werden kann, dass die Bedürfnisse aller Menschen in der Summe möglichst weitgehend befriedigt werden. Aufgabe der Politik soll es sein, dafür zu sorgen, dass beide Ziele erreicht werden. Allerdings gibt es ein Problem: Produktion und Verteilung lassen sich nicht voneinander getrennt steuern; beides hängt untrennbar zusammen. Schlimmer noch: Sie stehen miteinander im Konflikt. Denn je mehr die Politik von den Leistungsstarken zu den Leistungsschwachen umverteilt, desto weniger motiviert sind die Leistungsstarken. Das aber heißt, dass der Wohlstand geringer ausfällt, als er sein könnte. Dies gilt auch für den Koalitionsvertrag von Union und SPD: Mindestlohn, Einschränkung der Leiharbeit, Frühverrentung, soziale Wohltaten für Mütter und mehr erhöhen die Produktionskosten und senken so die Effizienz zum Wohle der Umverteilung. Die Kommunisten haben diesen Zielkonflikt nicht verstanden. Für Marx spielt nur die Umverteilung des erwirtschafteten Wohlstands von Reich nach Arm eine Rolle; wie der Wohlstand erwirtschaftet wird, kümmerte Marx nicht. Das führte ins Fiasko, wie der Komplettzusammenbruch der Planwirtschaften in Osteuropa bewiesen hat. Auch Jesus geht davon aus, dass seine Anhänger das Nötige zum Leben konsumieren können, weil irgendjemand schon Nahrung und Kleidung produzieren werde. Nur: Was würde passieren, wenn jeder auf die Produktion verzichtete? Dann hätte es schon zu Jesu Geburt keine Herberge, keinen Stall und keine Krippe gegeben, in die der Heiland hätte gelegt werden können - so wie es uns die Weihnachtsgeschichte erzählt. Das hätte immerhin dazu geführt, dass die Optimierung von Produktion und Verteilung niemanden interessieren würde, also die Zunft der Ökonomen nie entstanden wäre. Deren Arbeitskraft hätte also produktiver eingesetzt werden können. Wobei wir allerdings schon wieder in den Denkkategorien der Ökonomie stecken.

- Lüder Gerken ist Vorsitzender der Stiftung Ordnungspolitik.

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Pressekontakt: Badische Zeitung Anselm Bußhoff Telefon: 07 61 - 4 96-0 redaktion@badische-zeitung.de

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