Badische Neueste Nachrichten: Siegerjustiz

Karlsruhe (ots) - In Ägypten geht die juristische Aufarbeitung der Ära Mursi weiter: Nach dem früheren Präsidenten stehen jetzt auch der Chef der Muslimbrüder, Mohammed Badie, und einige dessen Mitstreiter vor Gericht. Dass die Angeklagten nicht kleinbeigeben werden, machten sie gestern zum Prozessauftakt unmissverständlich klar. Lautstark zogen sie die Rechtmäßigkeit des Verfahrens in Zweifel. Es erinnert schon viel an Siegerjustiz, was sich derzeit in Kairo abspielt. Seitdem in Ägypten erneut das Militär das Sagen hat, sind die Muslimbrüder wieder in den Untergrund verbannt. Jahrzehntelang hatten sie in der Vergangenheit auf der offiziellen politischen Bühne nichts zu suchen und trotzdem gehörte die Organisation zu den größten Machtfaktoren im Land am Nil. Auch das Verbot der Muslimbruderschaft durch die derzeit regierenden Machthaber verhindert nicht, dass die religiös-konservativen Eiferer weiter in den Armenvierteln der ägyptischen Hauptstadt und auf dem "flachen Land" präsent sind. Die Muslimbrüder springen dort ein, wofür der Staat angeblich kein Geld hat oder wo er sich nicht mehr hintraut. Mit der Hilfe von Finanzspritzen aus einigen Öl-Ländern am Golf unterstützen die Muslimbrüder die Familien in den Elendsvierteln. Die Prozesse gegen Mursi und die Führer der Muslimbruderschaft sorgen dafür, dass der Konflikt im Land weiter schwelt. Unversöhnlich stehen sich die beiden Lager gegenüber. Anstatt nach einem gemeinsamen Neuanfang Ausschau zu halten, bekriegen sich Militär und Muslimbrüder weiter. Die Lage am Nil bleibt angespannt, mit all den negativen Folgewirkungen für den lebensnotwendigen Tourismus. Wer Angst vor neuer Gewalt hat, bleibt Luxor und Kairo fern.

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