18.07.2016 16:30:48

AUSBLICK/EZB hält vorerst an Geldpolitik fest

   Von Hans Bentzien

   FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag keine Änderung seiner Geldpolitik beschließen. Zwar hat das Votum der Briten für einen EU-Austritt Großbritanniens potenziell weitreichende wirtschaftliche Folgen, doch ist deren Ausmaß noch nicht abzusehen. Beobachter wollen allerdings nicht ausschließen, dass EZB-Präsident Mario Draghi in seiner Pressekonferenz andeuten wird, dass die EZB technische Anpassungen an ihrem Wertpapierankaufprogramm vornehmen will.

   Das Brexit-Votum der Briten hat zwar zu deutlichen Finanzmarktreaktionen geführt, doch ein Eingreifen der Zentralbanken nicht erforderlich gemacht. Die Märkte funktionierten reibungslos, Liquiditätsnothilfen für Banken waren nicht erforderlich. Das heißt jedoch nicht, dass die EZB den Brexit abhaken kann, im Gegenteil. Je nachdem, wie das neue Arrangement Großbritanniens mit der EU aussieht und wie lange die Unsicherheit hierüber anhält, können die Auswirkungen für Wachstum und Inflation beträchtlich sein.

   Für die Ratssitzung am Donnerstag rechnen alle 43 befragten Ökonomen, dass die EZB den als Leitzins fungierenden Hauptrefinanzierungssatz bei null belassen wird. Auch am Einlagensatz von minus 0,40 Prozent und am Spitzenrefinanzierungssatz von 0,25 Prozent wird sich demnach nichts ändern.

Untätigkeit der BoE hat nichts zu bedeuten Dass sich die Bank of England (BoE) zunächst nicht genötigt sah, ihre Geldpolitik zu lockern, hat aus Sicht der EZB nicht viel zu sagen. In Großbritannien war der wirtschaftliche Heilungsprozess nach der Großen Rezession schneller verlaufen als im Euroraum, die Konjunktur lief besser als auf dem Kontinent. Zudem muss die BoE bei ihren Maßnahmen auch auf das große Leistungsbilanzdefizit Großbritanniens Rücksicht nehmen.

   Das größte Problem für EZB-Präsident Draghi ist, dass immer mehr Finanzmarktteilnehmer bezweifeln, dass er genügend Staatsanleihen für sein Ankaufprogramm zusammen bekommen wird, um es bis März 2017 fortzuführen. Ganz zu schweigen von einer Verlängerung, die manche Teilnehme für angezeigt hielten.

   Beides hat mit dem Brexit-Votum zu tun: Die Inflationsaussichten haben sich weiter eingetrübt, und zugleich hat sich durch die Flucht der Investoren in sichere Häfen das Angebot an ankaufbaren Anleihen verringert, die die EZB für die Bekämpfung der Brexit-Folgen braucht. Vor allem deutsche Bundesanleihen sind so gefragt, dass noch mehr von ihnen mit weniger als minus 0,40 Prozent rentieren. Unterhalb dieser Marke darf die Bundesbank diese Papiere aber nicht kaufen.

Volkswirte diskutieren Auswege aus Anleiheknappheit Volkswirte diskutieren derzeit die Auswege, die sich der EZB aus dieser Situation bieten. Sie könnte, erstens, den Einlagensatz weiter senken. Das wird die EZB wegen der Nebenwirkungen für die Banken vermeiden wollen.

   Zweitens könnte sie den Einlagensatz als Untergrenze für Ankäufe abschaffen. Aus Sicht vieler Ökonomen ist das die einfachste und mittelfristig wahrscheinlichste Lösung. Allerdings machen die beteiligten Zentralbanken dabei garantiert Verluste.

   Drittens könnte der Bundesbank und den anderen nationalen Notenbanken erlaubt werden, künftig von öffentlichen Anleihen ohne so genannte Collective Action Clauses (CACs) bis zu 50 Prozent einer Emission ankaufen. Derzeit liegt die Obergrenze bei 33 Prozent. Manche Beobachter erwarten diese Maßnahme schon für Donnerstag.

   Viertens könnte der EZB-Kapitalschlüssel als Richtgröße der Anleihekäufe abgeschafft oder aufgeweicht werden. Vor allem südeuropäischen Ökonomen gefällt dieser Gedanke. Allerdings würde sich die EZB damit dem Verdacht aussetzen, bestimmten Staaten (vor allem Italien) vermehrt Anleihen mit frisch gedrucktem Geld abzukaufen. Gegenwind aus der Politik wäre zu erwarten.

   Möglicherweise wird Draghi in seiner Pressekonferenz andeuten, in welche Richtung die Überlegungen des EZB-Direktoriums gehen. Sehr viele andere Möglichkeiten, eine Versteilung der Zinskurve und eine Aufwertung des Euro zu verhindern, hat er nämlich nicht.

   (Mitarbeit: Andreas Plecko)

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/hab/apo/smh

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   July 18, 2016 10:00 ET (14:00 GMT)

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