01.07.2024 10:03:38

APA ots news: Steigende Preise für Erdgas als Inflationstreiber - die...

APA ots news: Steigende Preise für Erdgas als Inflationstreiber - die Hintergründe

Wien (APA-ots) - In den österreichischen Medien, und damit auch in der

Öffentlichkeit, wird der starke Anstieg der Inflation im Jahr 2022

oft primär als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine

ab Ende Februar 2022 gesehen. Ohne die Berechtigung der aufgrund des

völkerrechtswidrigen Krieges verhängten internationalen Sanktionen in

Zweifel zu ziehen, lässt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage

stellen: Waren die EU-Sanktionen die Hauptursache für den Anstieg der

Erdgas-Großhandelspreise und daher der Inflation?

Dagegen spricht: Die EU hat bis dato überhaupt keine Sanktionen

gegen Erdgasimporte aus Russland verhängt. Allerdings bleibt die

Frage: Haben die im Frühjahr 2022 beschlossenen EU-Sanktionen dazu

geführt, dass Russland als Gegenmaßnahme den Erdgasexport beschränkt

hat, sodass vor allem deshalb der Erdgaspreis explodiert ist? - Dazu

lassen sich folgende Antworten geben:

Gaspreise stiegen sehr stark schon vor Russlands Angriffskrieg

gegen die Ukraine

Die Erdgas-Großhandelspreise im Euroraum hatten sich jedoch schon im

Jahr 2021 vervielfacht, also vor Russlands Angriffskrieg gegen die

Ukraine. Dieser Anstieg erfolgte somit nicht aufgrund der

EU-Sanktionen und russischer Gegenmaßnahmen.

Im Jahresdurchschnitt 2021 stiegen die Erdgas-Großhandelspreise

auf das Fünffache(!), was sich in den Haushaltspreisen (auch für

Strom) erst zeitverzögert und überwiegend im Jahr 2022 niederschlug.

Dadurch beschleunigte sich der Anstieg der Haushaltspreise für

Energie im Jahr 2022 massiv, was sich auf den gesamten

Verbraucherpreisindex stark auswirkte.

Erdgas-Preisanstiege 2021 sogar deutlich stärker als 2022

Bereits 2021 stiegen im Euroraum die Großhandelspreise für Erdgas um

ein Vielfaches stärker als jene für Erdöl. Der Anstieg fiel zudem

deutlich stärker aus als im Folgejahr 2022. Auch global kam es

dadurch zu höheren Erdgaspreisen, wobei es in Ostasien zu einem

weniger starken Zuwachs kam.

Russland kürzte bereits 2021 Gaslieferungen massiv

Der extreme Anstieg der Erdgas-Großhandelspreise im Euroraum im Jahr

2021 ist darauf zurückzuführen, dass Russland die Erdgaslieferungen

in die EU über die Ukraine - trotz ausreichender Lieferkapazitäten -

massiv kürzte und Gazprom weniger Gas auch in die eigenen Lager

innerhalb der EU einspeicherte. Einige Indizien sprechen dafür, dass

politische Motive den Hintergrund bilden könnten. Ziel könnte gewesen

sein, gegenüber den Behörden in Deutschland bzw. in der EU, die für

die Betriebsgenehmigung einer neuen direkten Pipeline nach

Deutschland zuständig waren, politischen Druck aufzubauen - und

zugleich die Ukraine ihre wirtschaftliche Abhängigkeit spüren zu

lassen, um ihre Bereitschaft für Zugeständnisse zu erhöhen. Nicht

auszuschließen ist auch, dass Russland in Verbindung mit dem bereits

geplanten Angriffskrieg gegen die Ukraine beabsichtigte, die EU durch

eine starke Verunsicherung auf dem Erdgasmarkt infolge bereits sehr

hoher Preise und sehr niedriger Lagerstände unter Druck zu setzen,

damit diese auf den Einmarsch in die Ukraine nicht mit scharfen

Maßnahmen reagieren würde. Damit sollten wohl insbesondere mögliche

Sanktionen gegen Erdgasimporte aus Russland noch schwieriger und

damit unwahrscheinlicher gemacht werden.

Russland hat seine Erdgasexporte in die EU in den Jahren 2022 und

2023 weiter massiv eingeschränkt, doch der Erdgas-Großhandelspreis

erhöhte sich im Jahr 2022 viel schwächer als zuvor und war im Jahr

2023 sogar rückläufig. Die Erklärung dafür ist, dass die EU in diesen

beiden Jahren zuerst schon in Reaktion auf den im Jahr 2021 erfolgten

sehr starken Preisanstieg und dann umso mehr nach der Vollinvasion

Russlands im Februar 2022 erstens die Diversifizierung der

Erdgasimporte insbesondere durch erhöhte Importe von Flüssiggas (LNG)

verstärkte, zweitens Erdgas zum Teil durch andere Energieträger

ersetzte und drittens den gesamten Energieverbrauch verringerte.

Nebenrolle Chinas mit seiner starken LNG-Nachfrage Ende 2020

Ein Nebenfaktor war Chinas starke Nachfrage nach LNG Ende 2020/Anfang

2021, die den Anstieg des Erdgas-Großhandelspreises im Euroraum

Anfang 2021 verstärkte. Dieser Faktor war jedoch schon rein

mengenmäßig eindeutig zweitrangig und für den extremen Anstieg im

Gesamtjahr 2021 nicht entscheidend. Während Chinas gesamter

Kohleverbrauch wegen der Verstromung weiter ansteigt (auf fast 60 %

des Weltverbrauchs), trägt der Umstieg von Kohle auf Erdgas in

Haushalten und kleinen Industriebetrieben ab 2016 zu einer

kontinuierlich steigenden Erdgas-Nachfrage bei. Doch dies kann den

sprunghaften Anstieg von Chinas LNG-Nachfrage zum Jahreswechsel

2020/2021 nicht erklären - sie resultierte vielmehr aus einer

außergewöhnlichen Kältewelle auch als Folge des Klimawandels.

Im Gegensatz zum Euroraum führte jedoch der Anstieg des

Erdgas-Großhandelspreises im Jahr 2021 in China nicht zu einem

Inflationsschub, u.a. weil in Ostasien langfristige Verträge an den

Erdölpreis gebunden sind und Erdgas einen kleineren Anteil am

Energie-Mix hat.

Die Erfahrungen aus dem Jahr 2021 zeigen, wie wichtig eine

Diversifizierung der Energie- und Rohstoffimporte und der Ausstieg

aus fossiler Energie bei gleichzeitigem Ausbau erneuerbarer Energie

zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Erhöhung der

Versorgungssicherheit sind.

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit

den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.

Autoren des Blogs: [Thomas Reininger]

(https://www.oenb.at/Geldpolitik/Forschung/oekonominnen/thomas-reinin

ger.html), Iiris Virokannas (beide OeNB)

Der Blog inkl. Grafiken findet sich auf der [OeNB-Website]

(https://www.oenb.at/Presse/oenb-blog/2024/2024-06-26-steigende-preis

e-fuer-erdgas-als-inflationstreiber.html).

Rückfragehinweis:

Oesterreichische Nationalbank

Mag. Maria-Elisabeth Faulmann

Pressesprecherin

(+43-1) 404 20-6900

maria-elisabeth.faulmann@oenb.at

www.oenb.at

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/156/aom

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER

INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***

OTS0055 2024-07-01/09:58

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!