23.03.2015 21:49:38
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ANALYSE/Tsipras bemüht sich um Neustart in Berlin
Von Christian Grimm
BERLIN (Dow Jones)--Beim Antrittsbesuch von Alexis Tsipras bei seinem größten Geldgeber war mit Händen zu greifen, wie sich der griechische Premier und die gastgebende Kanzlerin um eine bessere Beziehung bemühten. Beide Politiker wollten unbedingt vermeiden, dass die Wellen wieder hochschlagen und Giftpfeile fliegen. Tsipras hat deshalb eine Forderung und eine Drohung vom Tisch gewischt, die zuletzt schwer auf dem Verhältnis zwischen Athen und Berlin lasteten.
Die Drohung eines Ministers, deutsches Eigentum in Griechenland zur Wiedergutmachung von Nazi-Gräueln zu pfänden, erklärte der linke Ministerpräsident für substanzlos. "Es gibt kein Mitglied in der griechischen Regierung, das staatliches Eigentum Deutschlands in Griechenland pfänden will", versicherte Tsipras.
Er vermied es auch, die Forderung nach Reparationen für die Zwangsanleihe laut zu wiederholen, die die Reichsbank einst dem besetzten Griechenland auferlegte. In der Vergangenheit wollte Tsipras dafür Milliarden sehen. Nun forderte er lediglich, die Schatten aus der Zeit der deutschen Besatzung aufzuhellen. "Das ist für uns in erster Linie ein ethisches, moralisches Problem".
Tsipras könnte damit über die Brücke gehen, die Deutschland ihm baut: Mehr Geld für den deutsch-griechischen Zukunftsfonds, aber kein Vorführen Berlins vor internationalen Gerichten. "Das heutige Deutschland hat nichts zu tun mit dem Deutschland des Dritten Reichs", stellte er klar.
Stattdessen lobte der linke Regierungschef die Kanzlerin: "Frau Merkel hört zu und möchte konstruktiv vorankommen. Unsere Beziehung ist positiv", beschrieb er die Atmosphäre der Gespräche. Die desaströse Kassenlage hat Tsipras nun begreifen lassen, dass nach zwei Monaten der Provokationen und der Ignoranz für die Arbeitsweise der EU ein Schwenk nötig war.
Trotz aller Anfeindungen aus Athen hat Griechenland in Merkel eine Verbündete. Die CDU-Chefin wiederholte erneut ihr Bekenntnis zu Europa als historischem Projekt und zur Einheit der Eurozone. "Wir möchten, dass Griechenland wirtschaftlich stark ist und Wachstum hat", bekräftigte sie. Dafür ist sie bereit, weitere Kredite locker zu machen. Vorbehalte dagegen gibt es aber in ihrer Partei und bei der Schwester CSU. Anhaltende Nazi-Vorwürfe, Karikaturen mit Hakenkreuzen und drohende Enteignungen wären sicher nicht förderlich, die Zustimmung der Unions-Abgeordneten zu erleichtern.
Nach Wochen der Anfängerfehler hat Alexis Tsipras versucht, die rhetorische Kehre einzuleiten. Denn der Schlüssel für ein drittes Hilfsprogramm liegt in Berlin. Dass Griechenland es braucht, ist so sicher wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Angela Merkel ist bereit, das kranke Euro-Mitglied weitere Jahre über Wasser zu halten.
Zumindest im Ausland hat sich Tsipras von nicht durchsetzbaren Forderungen verabschiedet. Wenn er es auch zu Hause tut, hat er gute Chancen, wieder Geld zu bekommen. Und nur dann wird er auch mehr Spielraum bekommen, eigene politische Akzente zu setzen. Denn letztlich entscheidet nicht die Troika, ob eine Reform gelungen ist, sondern die Politiker. Ist Vertrauen da, wird viel eher ein Auge zugedrückt als im Zustand der Fehde.
Kontakt zum Autor: christian.grimm@wsj.com
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March 23, 2015 16:19 ET (20:19 GMT)
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