Allgemeine Zeitung Mainz: Nicht nur im Süden / Kommentar zur Gerechtigkeitsstudie

Mainz (ots) - Wie komplex das Thema Gerechtigkeit ist, zeigt allein die Auflistung der Aspekte, anhand derer die Bertelsmann-Stiftung die Situation in Europa zu analysieren versucht: Armutsvermeidung, Zugang zu Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Generationengerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Wer Chancengleichheit und sozialen Frieden fördern will, muss also an immens vielen Stellschrauben drehen. Das ist Europa in den vergangenen Jahren ganz und gar nicht gelungen, im Gegenteil. Die Situation hat sich seit 2008 verschlechtert, insbesondere im Süden und insbesondere für die Jüngeren. Doch wenn das Niveau der sozialen Gerechtigkeit sinkt - oder umgekehrt: die Ungerechtigkeit steigt - besteht die Gefahr, dass die Probleme vor Ort so groß und existenziell werden, dass keine Kraft mehr bleibt, sich um das Projekt Europa zu kümmern und für gemeinsame Ziele einzustehen. Die Studie hält uns deutlich vor Augen, dass Wirtschaftsleistung nicht automatisch auch eine Garantie für soziale Gerechtigkeit ist. Anders gesagt: Es geht nicht nur um Zahlen, es geht auch um Menschen. Vor allem um die jungen Frauen und Männer im Süden Europas, die ebenso ein Recht auf berufliche Perspektiven haben wie ihre Altersgenossen in Norwegen oder Schweden. Allerdings erinnern die Wissenschaftler auch einmal mehr daran, dass Deutschland auf dem Weg zum Musterschüler selbst noch Hausaufgaben zu erledigen hat: Wer sich anstrengt und Leistung bringt, muss die Chance zum Aufstieg haben - egal, aus welchem familiären Umfeld er kommt. Alles andere ist ungerecht.

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