23.12.2013 20:14:59
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Allg. Zeitung Mainz: Ein Glücksfall / Leitartikel zu Weihnachten
Der Frontalangriff des Papstes provoziert Widerspruch
Es ist ein Glücksfall der Geschichte, dass der neue Papst diese Botschaft ins Zentrum seines Auftretens, seines Handelns und seiner Worte rückt. Erst hat Franziskus die roten Schuhe und andere Insignien päpstlicher Herrlichkeit verschmäht. Dann hat er seiner Kirche die Leviten gelesen, ihren ausgeprägten Hang zum Selbstzweck zu überwinden. Und mit seinem ersten apostolischen Schreiben knöpft er sich nicht weniger als die Ungerechtigkeit unserer kapitalistischen Weltordnung vor, die den Menschen zum Konsumenten, zum Billiglöhner und an vielen Orten dieser Welt zum reinen Produktionsfaktor degradiert. Mit diesem Frontalangriff hat der Papst viel Widerspruch - und noch mehr Aufmerksamkeit - geerntet. Er sei linksradikal, gar ein Marxist, wird ihm vorgeworfen. Dabei steht Franziskus mitnichten im Widerspruch zu seinem Vorvorgänger Karol Wojtila, dem ein entscheidender Anteil an der Überwindung des Stalinismus zugesprochen wird. Er hat im Gegenteil wie dieser offenbar sein Thema gefunden, das er in das Zentrum seines Kampfes um eine gerechtere und friedlichere Welt stellen wird.
Eine gerechtere Welt beginnt im eigenen Lebensbereich
Gegen welche Entwicklung sollte sich das Oberhaupt einer Weltkirche denn stellen, wenn nicht gegen das Götzentum des Geldes, gegen die zerstörerischen Mechanismen entfesselter (und bisher nicht gebändigter) Finanzmärkte, gegen die Entwertung menschlicher Arbeit in den Ländern der sogenannten dritten Welt (damit wir Sweatshirts für 4,99 Euro kaufen können), gegen die Produktion von Flüchtlingsströmen (und gegen die auf Abschottung fixierten Barrikaden der reichen Länder dieser Welt)? In dem Maße, in dem sich die internationale Politik diesen scheinbar undurchbrechbaren Folgen einseitiger Wohlstandserzeugung ergibt, in dem Maße braucht es Mahner, die uns in unserem Hang zum Wegschauen nicht in Ruhe lassen. Eine politische Wirkung wird dieser Impetus allerdings nur erzeugen, wenn die Menschen erkennen, dass Gerechtigkeit und Barmherzigkeit im eigenen Lebensbereich beginnt. Unser Konsumrausch im Kernzenschein der Krippe gehört genauso zu diesen Widersprüchlichkeiten wie die Ablehnung von Flüchtlingen oder die Entsorgung eines Großteils der pflegebedürftigen Alten in unwürdige Heime. Es gibt keine schönere Verheißung als die Botschaft der Weihnachtsgeschichte - aber auch keine unbequemere.
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