08.12.2013 19:59:58

Allg. Zeitung Mainz: Der erste Zentimeter Kommentar zum FDP-Parteitag

Mainz (ots) - Man habe die Wahl zwischen Verwesung und Auferstehung, so formulierte es ein FDP-Delegierter. Das ist sarkastisch überzeichnet, hat aber einen sehr wahren Kern. Sehr viele in der Partei vermittelten beim Berliner Kongress den Eindruck: Wir haben verstanden. Ob diese Bekenntnisse nachhaltig sein werden, oder bloß Sonntagsreden waren unter dem Eindruck des Bundestagswahlschocks, muss sich nun erweisen. Das Scherbengericht war deutlich, artete jedoch nicht in Blutvergießen aus. Dergleichen kann heilsam sein. Der neue Vorsitzende Christian Lindner ist ein rhetorisch exzellenter junger Mann, auch ein Denker. Er versteht viel von Außenwirkung, darin dem jungen Westerwelle nicht unähnlich, aber Lindner ist - ein Vorzug - nicht so nassforsch wie jener. Die FDP muss wieder hin zu den Menschen, wohl wahr. Man dürfe thematisch nicht beliebig werden, nicht "liberalala", wie einer formulierte. Ja, aber das alleine reicht nicht aus. Die Liberalen müssen sich um mehr existenzielle Felder kümmern. Dass sie etwas von Wirtschaft verstehen, ist unstreitig. Aber den Geruch der kalten Klientelpartei, nicht völlig, aber teilweise berechtigt, muss die FDP loswerden, und zwar aus Überzeugung, nicht bloß zähneknirschend-taktisch. Der thematische GAU der FDP war die NSA-Affäre. Bürgerrechtspartei FDP? Schweigen im Walde. Jetzt wettert Lindner gegen die Verletzung der Privatsphäre, das ist spät. Die Partei darf auf keinen Fall nach rechts rutschen, die FPÖ in Österreich ist abschreckendes Beispiel. Die FDP muss nun Kompetenz nachweisen bei Sozial- und Familienpolitik. Sie hat zudem erkannt, dass sie kein Merkel-Wahlverein mehr sein darf. Der Parteitag war ein erster Zentimeter nach vorne. Es liegen aber noch Kilometer vor der FDP. Wenn sie sich berappelt, wird sie wieder eine wertvolle Kraft im Bundestag sein; das ist wünschenswert. Wenn das Comeback 2017 nicht gelingt, droht der Partei der Untergang.

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